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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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verhindern?»
    Die blasse Frau nickte, trank endlich von ihrem Kaffee, und Laura deutete es als Zeichen einer gewissen Entspannung.
    «Sie müssen den Weg zurückgehen. Es muss einen Verräter geben, der mit den Menschenhändlern zusammenarbeitet. Am einen oder am anderen Ende der Bahnstrecke! Diese Morde sind Strafaktionen: Wer aussteigen will, wird so grausam bestraft, dass keine Frau mehr den Mut dazu aufbringt!»
    «Soweit ich mich erinnern kann, liegen ungefähr zwei Monate zwischen den beiden Morden», sagte Laura leise. «Ist es Ihrer Organisation in dieser Zeit gelungen, Frauen herauszuschleusen?»
    Die blasse Frau nickte.
    «Im letzten halben Jahr haben wir fünfunddreißig Frauen betreut, die über Italien herausgebracht wurden.»
    «Was heißt herausgebracht?»
    Die Frau schüttelte langsam den Kopf.
    «Ich möchte Ihnen keine so genauen Informationen geben.»
    «Das kann ich ja verstehen, aber wenn ich ermitteln soll, dann brauche ich wenigstens Ansatzpunkte.»
    Die blasse Frau legte ihre rechte Hand auf Lauras Schreibtisch und schlug mit den Fingern einen kleinen Trommelwirbel.
    «Also, nicht alle dieser Frauen haben in italienischen Etablissements gearbeitet. Einige kamen auch aus Bosnien, dem Kosovo und der Türkei.»
    «Welche Nationalität hatten diese Frauen?»
    «Ein schöner Querschnitt von Weißrussland, der Ukraine, bis Rumänien und dem ganzen Balkan.»
    «Woher kam die Frau aus dem Eurocity?»
    «Sie sind sehr schnell, nicht wahr? Lassen Sie mich ein wenig Luft holen.»
    «Ungern!» Laura lächelte die blasse Frau an, die kniff ein bisschen die Augen zusammen, lächelte dann aber zurück.
    «Gut!», sagte sie. «Ich bin auch sehr schnell. Machen wir weiter! Die Frau aus dem Eurocity war aus der Ukraine. Ich kenne ihren richtigen Namen nicht, nur den Transfer-Namen. Der war Franca Gabani. Sie hat zwei Jahre lang in einem Bordell in Bosnien gearbeitet, wurde dann von unserer Organisation nach Italien gebracht und sollte nach Deutschland weiterreisen.»
    «Und dann?»
    «Was dann?»
    «Sollte sie in Deutschland bleiben oder waren noch mehr Reisen vorgesehen?»
    «Die Frauen können selbst wählen. Wir machen nur Angebote. Das muss reichen. Mehr werden Sie im Moment nicht von mir erfahren!»
    «Gut, also lassen wir das. Wie soll ich Ihrer Meinung nach am andern Ende der Bahnstrecke ermitteln, wenn Ihre Organisation nicht kooperiert?»
    Die blasse Frau schloss kurz die Augen.
    «Am andern Ende der Bahnstrecke gibt es eine andere Organisation. Wir arbeiten mit denen zusammen, kennen aber nur zwei Kontaktpersonen.»
    «Tja», sagte Laura. «Jetzt stehen Sie vor der schwierigen Entscheidung, mir die Namen und Adressen dieser Personen zu nennen, nicht wahr?»
    «Und ich werde Ihnen auch meine Bedingung sagen: dass Sie auf keinen Fall die italienischen Behörden einschalten. Die Italiener reagieren inzwischen regelrecht hysterisch, wenn Menschen illegal bei ihnen eingeschleust werden. Istja auch verständlich. Aber es wäre verhängnisvoll, wenn diese Wege verschlossen würden.»
    Laura schob ihre Tasse hin und her.
    «Wie stellen Sie sich das vor? Ich kann nicht an den italienischen Behörden vorbei auf eigene Faust ermitteln!»
    Die blasse Frau lachte kurz auf. Es war ein bitteres, beinahe böses Lachen.
    «Wenn wir in dieser Welt Menschen retten wollen, dann brauchen wir Kreativität und Mut, Frau Hauptkommissarin. Wenn Sie sich immer an die legalen Wege halten, werden Sie nicht viel erreichen. Aber das wissen Sie selbst, wenn ich Sie richtig einschätze. Ich werde Ihnen die Namen nur nennen, wenn Sie mir schwören, dass die Italiener draußen bleiben.»
    «Sie hätten Predigerin werden sollen», murmelte Laura. «Übertreiben Sie nicht ein bisschen?»
    «Nein, ich untertreibe. Und ich wundere mich, dass ich Ihnen so etwas sagen muss   …»
    Laura setzte sich auf. «Ich benötige Ihren missionarischen Eifer nicht, meine Erfahrung reicht vollkommen aus, um mir vorzustellen, was Sie mir sagen wollen. Wenn Sie mir die Namen nennen, verspreche ich, dass ich es versuchen werde, solange die Gefahr für mich persönlich nicht zu groß wird. Ich habe nämlich zwei Kinder und möchte noch ein bisschen länger für sie da sein.»
    Die blasse Frau senkte den Kopf und strich wieder über ihren Pelz, zwirbelte endlich ein Haarbüschel wie einen winzigen Schnurrbart.
    «Ich weiß», sagte sie leise.
    «Wieso wissen Sie, dass ich zwei Kinder habe? Ich denke, Sie sind hier hereinmarschiert und haben nach dem

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