Wie man die richtige Arbeit für sich findet
und den Wunsch, etwas zu verändern: Tun Sie, was Sie begeistert und was Sie wirklich gut können. In all den Jahren, die ich nun schon mit anderen über ihre Arbeit spreche, ist mir niemand begegnet, der diese Maxime besser verkörpert hätte als Wayne Davies.
Seit über zwanzig Jahren arbeitet der in Australien aufgewachsene Wayne inzwischen als Tenniscoach, allerdings der Form des Sports, die Jeu de Paume genannt wird. Dieser historische Vorläufer des Tennisspiels, wie wir es heute kennen, ist bereits für das Mittelalter belegt. Man spielt Jeu de Paume – wie Squash – in einer Halle und schlägt den Ball über das Netz an Wände; Punkte gibt es dafür, dass man bestimmte Ziele trifft. Es gibt weltweit noch etwa 45 Courts, auf denen 5000 Sportler diese Form von Tennis betreiben (ich bin einer davon). Wayne war sofort Feuer und Flamme, als er Jeu de Paume 1978 kennenlernte, und gab wenige Monate später seine Stelle als Physiklehrer für die Oberstufe auf, nahm erhebliche Gehaltseinbußen hin und startete in Melbourne seine neue Karriere als Co-Trainer für Tennis. Er musste morgens fast drei Stunden fahren, damit er um acht an seinem Arbeitsplatz war. Ich fragte ihn einmal, was für ihn das Beste an seinem Leben als Tennisprofi sei. »Das Tennisspielen«, erwiderte er, so als hätte ich eine sehr dumme Frage gestellt. Er fuhr aber gleich fort: »Was ist das Beste im Leben überhaupt? Tennisspielen. Für mich jedenfalls stimmt das. Das Leben ist ein Tennisplatz. Nichts macht mich glücklicher, als ein richtiges Match zu spielen – alles andere im Leben kann man getrost vergessen.«
Nachdem er Cheftrainer im Jeu-de-Paume-Club in New York geworden war, widmete Wayne sein ganzes Leben dem Spiel. Er übernachtete auf einer Matratze im Clubhaus und stand morgens um vier Uhr auf, damit er erst einmal vier Stunden selbst spielen konnte, bevor sein Arbeitstag als Coach begann. Manchmal spielte er sogar nachts im Pyjama. »Wenn du auf irgendeinem Gebiet richtig gut werden willst«, sagte er zu mir, »muss du dir einen Tunnelblick angewöhnen.« Dieser Mann war wirklich fokussiert, ja regelrecht besessen. Und das Resultat? Wayne Davies wurde 1987 Weltmeister im Einzelwettbewerb und blieb fast acht Jahre lang ungeschlagen. 35
Dass Wayne Davies so viel Erfüllung in seiner Karriere fand, hatte, unabhängig vom Ruhm seiner Turniersiege, zwei Gründe. Zum einen verwirklichte er sein Potential als Sportler und entwickelte sein Talent bis an die Grenzen dessen, was für ihn persönlich erreichbar war. Zum anderen machte er seinen Sport zum Beruf und verband seine größte Leidenschaft mit seiner Arbeit. Diese Strategie ist allerdings nicht unumstritten. Manche, mit denen ich gesprochen habe, beteuern, es sei der Wendepunkt in ihrem Leben gewesen, als sie ihr Hobby oder ihr Interesse zu ihrem Beruf machten, andere halten es im Rückblick für einen großen Fehler. Vielleicht bauen Sie ja gern Modelleisenbahnen und gründen darum eine Firma, die Modelleisenbahnen im Internet vertreibt. Nach einer Weile aber merken Sie, dass Sie über dem Stress, den Sie nun haben, alle Freude an Ihrer Leidenschaft verlieren, und denken mit Wehmut an die verregneten Sonntagnachmittage zurück, als Sie an den Loks herumgebastelt haben, ohne sich über Absatzzahlen den Kopf zu zerbrechen.
Ich werde auf das Thema in dem Kapitel über Freiheit noch einmal zurückkommen, glaube alles in allem aber dennoch, dass die Vermischung von Arbeit und Spiel das Risiko eventueller Trübungen der Freude in der Regel lohnt. Mit dem Kulturkritiker Pat Kane würde ich dafür plädieren, dass wir eine »Ethik des Spiels« entwickeln sollten, die »den Einzelnen mit seinen Leidenschaften und seiner Begeisterung in den Mittelpunkt seiner eigenen Welt« rückt. Der französische Schriftsteller François-René de Chateaubriand brachte einen ähnlichen Gedanken bereits vor über hundert Jahren zu Papier:
Ein Meister der Lebenskunst zieht keine scharfe Trennlinie zwischen Arbeit und Spiel, Anstrengung und Muße, Geist und Leib, seiner Ausbildung und seiner Erholung. Er vermag beides kaum zu unterscheiden. Er verfolgt einfach bei allem, was er tut, seine Vorstellung von Vortrefflichkeit und überlässt es anderen zu beurteilen, ob er arbeitet oder sich vergnügt. In seinen Augen tut er immer beides.
Auf eine weitere Schwierigkeit wird jeder stoßen, der seine Talente oder Leidenschaften an seinem Arbeitsplatz einbringen will: Was soll man anstreben? Möchte man
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