Wie man die richtige Arbeit für sich findet
meisten von uns werden von Ängsten verfolgt, die uns hindern, neue Wege einzuschlagen. Vielleicht finden wir an der neuen Stelle ja doch nicht die erhoffte Befriedigung, oder wir haben auf dem neuen Gebiet keinen Erfolg, oder wir sind zu alt für eine Veränderung, oder wir können das finanzielle Risiko gar nicht eingehen bei der großen Hypothek, die wir noch abzahlen müssen, oder die Rückkehr in den alten Beruf ist versperrt, wenn der Plan, Puppenspieler oder Parfümeur zu werden, scheitert.
Versagensangst ist wohl ein fast universelles Leiden. Im Gespräch unter vier Augen habe ich derlei sehr oft gehört, vom Armeeoffizier genauso wie vom CEO mit Millionengehalt, vom Kabinettsminister wie von dem berühmten Romancier. »Von meinen Zweifeln erzähle ich nur wenigen – äußerlich gebe ich mich selbstbewusst, aber innerlich bin ich nicht einmal sicher, ob ich irgendetwas Mittelmäßiges auf die Reihe bekomme«, sagte eine preisgekrönte Dokumentarfilmerin einmal zu mir. »Kann ich mich das wirklich trauen?«, ist eine Frage, die den meisten von uns auf der Seele brennt.
Es kann tröstlich sein zu wissen, dass man nicht allein ist mit seiner Unsicherheit. Als Anne Marie Graham den Entschluss fasste, ihren Job als Projektmanagerin bei einem Übersetzungsbüro zu kündigen und zu einer Stiftung zu wechseln, die den Fremdsprachenerwerb fördert, war sie schrecklich unsicher, ob sie auf einem Gebiet erfolgreich sein konnte, auf dem sie bisher keine Erfahrungen gesammelt hatte.
Von einem Arbeitsgebiet, das man in- und auswendig kennt, auf ein anderes zu wechseln, über das man nichts weiß, ist ziemlich beängstigend, wenn man die Dreißig überschritten hat. In meinem ersten Jahr gab es Phasen, in denen ich kein Land gesehen habe. Ich war überzeugt, dass ich nur Murks fabriziere, und war gar nicht richtig bei mir. Ich saß in Meetings, in denen sich alle anderen unfassbar kompetent anhörten, während ich das Gefühl hatte, nur zu bluffen. Eines Abends habe ich beim Essen über meine Befürchtungen gesprochen, und da sagte mein Partner, es könne doch sein, dass die anderen auch alle nur bluffen. Und nach diesem Einwand begann sich die Wolke des Zweifels an meinen Fähigkeiten zu lichten. Ich weiß noch, dass ich in meinem alten Job anfangs auch eingeschüchtert war – das lag allerdings so lange zurück, dass ich es vergessen hatte. Als mir das klar wurde, ging es mit meinem Selbstvertrauen bergauf.
Doch auch wenn wir wissen, dass andere dieselben Ängste haben und hinter einer Fassade zur Schau gestellten Selbstvertrauens genauso mit Zweifeln kämpfen, müssen wir verstehen, warum die Angst vor beruflicher Veränderung eine so große Rolle in unserem Leben spielt. Warum können wir sie nicht einfach abschütteln, die Kündigungsmail abschicken, zur Tür hinausgehen und etwas Neues anfangen?
Werfen wir einen näheren Blick auf die eigentümliche Einstellung von Menschen gegenüber Risiken. Als die Psychologen Amos Tversky und Daniel Kahneman in den siebziger Jahren in einer Reihe von Experimenten untersuchten, wie wir potentielle Misserfolge bzw. Erfolge bewerten, fanden sie heraus, dass wir Verluste doppelt so ungern erleiden wie wir Erfolge genießen, ganz gleich, ob es sich um Risiken am Spieltisch oder im Beruf handelt. »Menschen reagieren viel sensibler auf negative als auf positive Impulse … Es gibt eine Handvoll Dinge, die das eigene Wohlbefinden steigern würden, aber die Zahl der Dinge, die es senken können, ist unendlich.« 38 Auch die Evolutionsbiologie ist der Frage nachgegangen, weshalb wir uns auf potentielle Nachteile viel stärker konzentrieren als auf mögliche Vorteile. Sie erklärt es mit der hohen Sensibilität für Gefahren, die der Frühmensch als Überlebensstrategie in der afrikanischen Savanne ausgebildet hat. Wir sind also Produkte der Ur-Angst, die unsere hominiden Vorfahren erlebten: Das Objekt, das man da verschwommen in der Ferne wahrnimmt, könnte ein mit Früchten beladener Strauch sein, aber auch ein Löwe – lieber weiträumig meiden.
Wenn es also eine psychische Disposition dazu gibt, Dinge, die möglicherweise schiefgehen könnten, aufzubauschen, betrifft das natürlich auch Berufswechsel. Wenn wir überlegen, ob ein neuer Job zu uns passen würde, betonen wir eher unsere persönlichen Schwächen als unsere Stärken. Wir sprechen den Satz: »Ich habe zu wenig Gefühl für Zahlen, um ein Unternehmen leiten zu können« sozusagen lauter als: »Meine Stärke liegt
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