Wie man die richtige Arbeit für sich findet
und Fähigkeiten am besten entsprechen. Ist die Entscheidung gefallen, erstellt man einen Aktionsplan, schickt den eigenen Lebenslauf herum und schreibt Bewerbungen.
Das Modell »erst planen, dann umsetzen« hat nur einen Haken: Es führt nur selten zum Erfolg. In der Regel finden wir uns an einem neuen Arbeitsplatz wieder und merken dann, dass er nicht zu uns passt. Und das ist kein Wunder, da wir zuvor keine Gelegenheit hatten, dort unter realen Bedingungen Erfahrungen zu sammeln. Laura würde sagen: Der Job entspricht zwar den Kriterien der Checkliste, aber wir verlieben uns nicht. Oder aber wir verwenden so viel Zeit darauf herauszufinden, welcher Beruf perfekt wäre, recherchieren unermüdlich, verlieren uns in verworrenen Überlegungen, welche Option die beste wäre, dass wir – überwältigt von Angst und Prokrastination – schließlich gar nichts unternehmen und in den Paradoxien der Entscheidungsfindung steckenbleiben, von denen weiter vorn die Rede war.
Das Wagnis des beruflichen Neuanfangs kann gelingen, wenn wir das herkömmliche Modell umkehren. Wir sollten uns die Mentalität rationaler Planung abgewöhnen und sie durch ein »erst handeln, dann überlegen« ersetzen. Im Sessel zu sitzen und zu grübeln oder in einem Berufsberatungszentrum Datenbänke zu durchforschen zahlt sich nicht aus. Machen wir uns lieber eine Lebenshaltung zu eigen, die mehr aufs Spielerische und Experimentelle setzt.
Wie die neueste Forschung zeigt, kann ein Berufswechsel ohne eine gehörige Portion praktisches Lernen nicht glücken. Genauso, wie man das Zimmermannshandwerk nicht aus einem Buch lernen kann, gelingt auch ein Jobwechsel nicht ohne praktisches Handeln. Als Erstes sollten wir eine Reihe »möglicher Ichs« ermitteln – Berufe, denen wir zutrauen, dass wir dort eine sinnvolle Aufgabe finden (das vorige Kapitel sollte Ihnen dabei geholfen haben). Dann müssen wir sie, wie Laura es getan hat, einem Praxistext unterziehen, indem wir mit Projekten unter Realbedingungen experimentieren. Nach einer Phase des Job-Datings können wir unsere Entscheidung dann nachbessern und konkretisieren. Herminia Ibarra schreibt:
Der allergrößte Fehler bei der beruflichen Neuorientierung ist, den ersten Schritt aufzuschieben, bis man glaubt, eine definitive Position gefunden zu haben … Veränderung können wir nur dadurch herbeiführen, dass wir unsere verschiedenen Identitäten in der Praxis ausprobieren und an ihnen arbeiten und feilen, bis sie so tief in Erfahrungen verwurzelt sind, dass sie uns bei unseren nächsten Schritten leiten … Das Nachdenken kommt am besten erst dann, wenn bereits eine Dynamik entstanden ist und sich etwas Neues ergeben hat, das uns wieder Stoff zum Nachdenken liefert. 39
Im Folgenden möchte ich drei Projektformen vorstellen, die sich für den Praxistest eignen, in absteigender Folge geordnet nach dem persönlichen Risiko, das man dabei eingehen muss: radikale Sabbaticals, Nebentätigkeiten und mündliche Recherchen. Sie sind für unterschiedliche Arten von Menschen geeignet, die sich mit ihren jeweiligen Bedürfnissen und Wünschen auf jeweils anderen Etappen ihres Wegs befinden. Gemeinsam ist den drei Experimenten, dass man mit ihnen genauer bestimmen kann, welche Seite unseres Ichs die besten Aussichten auf Erfüllung im Beruf bietet.
Das erste und anspruchsvollste Experiment, die radikale Auszeit, kennen wir bereits durch Laura van Bouchout. Bei diesem Projekt legen Sie für sich einen bestimmten Zeitraum fest, in dem Sie verschiedene Jobs praktisch erproben. Sie könnten zum Beispiel Menschen an ihrem Arbeitsplatz beobachten und begleiten, oder Sie machen ein Praktikum in einer Einrichtung, die Sie interessiert. Laura schenkte sich selbst zum Geburtstag ein ganzes Jahr Zeit, um mit dreißig möglichen künftigen Ichs zu flirten. Sie hatte noch keine bestimmte Vorstellung, nur einen Sack voller Ideen, und schuf sich Freiräume, indem sie ihren Lebensunterhalt mit Teilzeitarbeit absicherte. Dadurch hatte sie Zeit für Experimente und für Abenteuer. Sie können so ein radikales Sabbatical – Ihre »Ferien vom Job« – aber auch so gestalten, dass Sie ein paar Monate unbezahlten Urlaub nehmen oder einige Wochen Ihres Jahresurlaubs dafür verwenden. Ich hielte es sowieso für eine gute Idee, wenn wir alle mindestens eine Woche im Jahr dafür nutzen würden, einmal einen neuen Beruf auszuprobieren, auch wenn unsere aktuelle Arbeit uns gefällt. Dass wir irgendwie unausgefüllt sind, merken wir
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