Wie man die richtige Arbeit für sich findet
Leben zu suchen. In Bezug auf die Lebenskunst ist das eine übliche Strategie: Man hat einen Job, der einem genügend Zeit und Kraft für eine ernsthafte zweite Betätigung in der Freizeit lässt, sei es Musizieren, Landschaftsfotografie oder ein Engagement als kommunistischer Aktivist.
Bedeutet das zwangläufig, den Wunsch nach einem erfüllenden Beruf ad acta zu legen? Nicht unbedingt, denn ein Beruf kann ja sinnvoll sein, ohne dass er Ihr ganzes Leben in Beschlag nimmt. Bei einem tollen Job, den ich einmal hatte, bestand meine Aufgabe darin, sogenannte »Tischgespräche« zu organisieren. Sie dienten dazu, Fremde zusammen an einen Tisch zu bringen, die sich im Gespräch kennenlernen sollten. Mit meinem Chef hatte ich vereinbart, dass ich von zwölf bis achtzehn Uhr arbeiten durfte, und konnte so an meinen freien Vormittagen einen Roman schreiben.
Erfüllung bleibt weiterhin möglich, wenn wir bereit sind, in unserem Kopf die Schranke zwischen Arbeit und Freizeit einzureißen. Sogenannte »Freizeitaktivitäten« mögen uns in harter Münze nichts eintragen, bringen uns aber dennoch Gewinn, wenn wir uns ihnen mit Hingabe widmen. Seine Dichtung verschaffte Wallace Stevens gesellschaftliches Ansehen, den Respekt seiner Dichterkollegen und das Gefühl, dass er seine Talente nutzte und seiner Berufung folgte. Fixieren wir uns also nicht so sehr auf die herkömmliche Vorstellung, dass ein Beruf Geldverdienen notwendig einschließt.
Gänzlich abtun können wir das Geld natürlich nicht. Die Sorge um den Lebensunterhalt ist sogar der Hauptgrund, wenn Menschen Bertrand Russells Rat nicht befolgen und ihre Arbeitszeit so reduzieren, dass ihnen genügend Freiraum für kreative Muße bleibt. Stellen Sie sich für einen Moment vor, Sie könnten Ihren Arbeitgeber dafür gewinnen, dass Sie nur vier statt fünf Tage in der Woche zu arbeiten brauchen. Könnten Sie die zwanzig Prozent Gehaltseinbuße verkraften?
So eine Herausforderung meistert man am besten dadurch, dass man sich einen einfachen Lebensstil angewöhnt, sich einer Bewegung anschließt, die in unserer postindustriellen Gesellschaft großen Zulauf hat. Wer einfacher lebt, reiht sich ein in eine ehrwürdige Tradition, die von Menschen getragen wird, die sich aus freien Stücken vom Materialismus und der Konsumwelt abgewandt haben, um ein sinnvolleres – und preiswerteres – Leben zu führen. Denken Sie an den amerikanischen Naturforscher und Philosophen Henry David Thoreau. In den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts führte er ein Experiment durch und lebte zwei Jahre lang als Selbstversorger. Thoreau wohnte in einer Blockhütte, die er eigenhändig errichtet hatte (was ihn weniger als 30 Dollar kostete) und hielt seine Kosten dadurch niedrig, dass er seine Nahrungsmittel überwiegend selbst anbaute. Er widmete sich dem Lesen, dem Schreiben und der Beobachtung der Natur. Aus seinem Buch Walden oder Das Leben in den Wäldern stammt der berühmte Satz, der Reichtum eines Menschen ermesse sich an der Zahl der Dinge, auf die er verzichten kann.
In der Nachfolge Thoreaus steht auch Joe Dominguez, Mitbegründer der modernen Bewegung für ein einfaches Leben in den Vereinigten Staaten und Co-Autor des Buches Your Money or Your Life , einem ihrer einflussreichsten Manifeste. Der Sohn kubanischer Einwanderer arbeitete sich in den sechziger Jahren aus dem Ghetto heraus und fand einen Job als Finanzanalyst an der Wall Street. »An der Wall Street«, so Dominguez, »merkte ich, dass die meisten Leute dort nicht arbeiteten, um davon zu leben, sondern dass das Geld, das sie verdienten, Sterbegeld war. Alle Tage waren sie beim Heimkommen von der Arbeit ein bisschen toter als morgens beim Losgehen. Diesen Fehler wollte ich auf keinen Fall machen.« 52 Joe ließ sich etwas einfallen. Er sparte jeden Cent, den er konnte, wohnte preiswert in Harlem, zimmerte sich seine Möbel selbst und kaufte seine Kleidung gebraucht. Mit dreißig hatte er so viel Geld zur Seite gelegt, dass er, wenn er sparsam war, von den jährlich anfallenden 6000 Dollar Zinsen leben konnte. Er kündigte, kaufte sich ein Wohnmobil und brach gen Westen auf zu einem neuen kargen, aber autonomen Leben. Thoreau und Dominguez gingen das einfache Leben an wie einen Extremsport, und es sind nur wenige Menschen bereit, ihren Lebensstil so drastisch zu ändern. Falls Sie schon bei einer zwanzigprozentigen Gehaltseinbuße bezweifeln, über die Runden zu kommen, oder glauben, das materielle Opfer sei zu hoch,
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