Wie man die richtige Arbeit für sich findet
verrate ich Ihnen jetzt eines der größten Geheimnisse der Lebenskunst. Vielleicht kennen Sie das Phänomen bereits: Bekommen Sie mehr Gehalt, führt das nicht zu einem höheren Sparguthaben, weil Ihre Ausgaben auf rätselhafte Weise so steigen, dass Ihr gesamtes verfügbares Einkommen dafür draufgeht. Dasselbe gilt aber auch umgekehrt. Sinkt Ihr Gehalt, weil Sie weniger arbeiten (oder für eine Tätigkeit, die Ihnen besser entspricht, eine Gehaltskürzung hingenommen haben), sinken Ihre Aufwendungen für den täglichen Bedarf – Lebensmittel, Kleidung, Unterhaltung – so weit, dass sie wieder zu Ihrer neuen finanziellen Lage passen, ohne dass es Ihnen dabei schlechter ginge. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit werden Sie sogar das Gefühl haben, Ihr Leben sei besser, weil Sie jetzt ausgiebig genießen können, was das kostbarste Gut ist: Zeit.
Sie glauben mir nicht? Als Sameera Khan ihre Arbeit als Justitiarin in London aufgab, sich sozialen Projekten zuwandte und sporadisch als Freiberuflerin juristisch tätig war, mussten sie und ihr Mann sich auf einen spürbaren Rückgang ihres gemeinsamen Einkommens einstellen. Ich fragte Sameera, wie sie zurechtkämen.
Wir haben jetzt einige tausend Pfund weniger im Monat zur Verfügung. Wofür haben wir bloß früher so viel Geld ausgegeben? Ich schäme mich, weil ich zugeben muss, dass ich keine Ahnung habe, wofür es draufgegangen ist. Aber man hat es nicht mehr und lebt trotzdem gut. Meine Lebensqualität hat sich sogar verbessert. Ich bin mehr zu Hause, ich komme öfter mit meinen Freunden und meiner Familie zusammen. Ich koche gute Sachen zum Abendessen, obwohl ich spare, weil ich jetzt beim Gemüsehändler oder auf dem Bauernmarkt einkaufen kann und nicht mehr zu Sainsbury muss. Ich kann zum Fischhändler gehen und frischen Fisch kaufen, und der ist sogar billiger, weil er aus heimischen Gewässern kommt. »Spare in der Zeit, so hast du in der Not«, diese in der Generation meiner Eltern verbreitete Einstellung, nach der lebe ich heute. Wäre ich doch schon so vernünftig gewesen, als ich ein volles Gehalt bekam! Es macht mir richtig Spaß, kein Geld auszugeben. Ich hatte sogar Zeit, Hula-Hoop zu lernen, und hab mir mit YouTube das Stricken beigebracht. Ich bin kreativ – ich wusste nicht mal, dass ich kreativ bin!
Sicher, wir mussten Abstriche machen, wir schauen jetzt ziemlich lange hin, wofür wir Geld ausgeben und warum. Vorher habe ich mir wohl keine Gedanken darum gemacht, was ich eigentlich brauche, aber was ich alles haben will. Wir gehen heute nicht mehr einfach mit Freunden in teuren Restaurants essen, weil wir es nicht mehr einsehen, dafür so viel Geld rauszuwerfen. Wenn ich mir etwas Gutes tun möchte, versuche ich vorher etwas extra zu verdienen, indem ich Sachen, die ich nicht mehr brauche, auf ebay verkaufe – davon kann man regelrecht abhängig werden. Insgesamt gesehen bin ich durch diese Erfahrung viel, viel nachdenklicher geworden, und ich habe gelernt, alles zu schätzen, was ich habe.
Wer bei seinem Lebensstil abspecken will, sollte sich Picassos Philosophie zu eigen machen: »Kunst ist die Beseitigung des Überflüssigen.« Probehalber können Sie einmal einen Monat lang detailliert Buch über alle Ausgaben führen und bei jedem Posten vermerken, ob er wirklich »gebraucht« oder nur »gewollt« wurde. Im nächsten Monat können Sie versuchen, die Ausgaben für »Gewolltes« zu halbieren. Ist Ihre Lebensqualität spürbar gesunken, oder war es überraschend befreiend? Eine zweite Möglichkeit ist, sich den regelmäßigen Besuch von Flohmärkten und Secondhandläden anzugewöhnen und sich im Internet bei Gruppen wie Freecycle anzumelden, wo Menschen Konsumartikel, die sie nicht mehr wollen, weggeben; das Angebot reicht von Dreirädern bis zu Sofas. Wir sollten auch bedenken, dass unsere Jobs uns sogar Geld kosten: Überlegen Sie nur, wie viel Sie für die »Arbeitsuniform«, wie Joe Dominguez es nannte (Anzüge, Kleider, Schuhe, Taschen), aufwenden, was das Pendeln ins Büro verschlingt, die täglichen Snacks und die Luxusurlaube, in denen Sie sich vom Stress erholen sollen. Sollten Sie wirklich so viel Geld dafür bezahlen, Arbeit zu haben?
Ein einfaches Leben kann auch in einem weiteren Sinne der beruflichen Neuorientierung dienen. Falls Sie sich für ein radikales Sabbatical entscheiden, wie Laura von Bouchout es getan hat, gewinnen Sie durch ein preisbewusstes Leben vielleicht Zeit, die Sie für Jobexperimente nutzen können. Und mit
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