Wie man die richtige Arbeit für sich findet
dem Wissen, dass es auch einfacher geht, fällt der Wechsel in einen Beruf mit weniger Geld, aber mehr Sinn möglicherweise leichter.
In einer Kultur wie der unseren, die von harter Arbeit und beruflichem Erfolg besessen ist, kann es schwierig sein, sich von der herkömmlichen Arbeitsethik zu lösen. Vielleicht wollen wir das auch gar nicht, weil wir in einer Tätigkeit aufgehen, die uns das Gefühl von Lebendigkeit vermittelt. Aber wenn wir die Vorteile einer Viertagewoche anstreben und Raum brauchen, um die anderen Seiten unseres Ichs zu entfalten, sind wir klug beraten, wenn wir unsere Hoffnungen auf die Tugenden des einfachen Lebens richten und das Schöne des Ideals erkennen, dass weniger wirklich mehr ist.
Es ist möglich, einen Beruf zu finden, der uns befriedigt und uns sogar noch genügend Muße für andere Dinge lässt, die unser Leben bereichern. Wie aber steht es um die Aussichten auf berufliche Erfüllung, wenn wir das größte Projekt angehen wollen: eine Familie gründen?
Beides wollen: Wie geht das?
Es ist acht Uhr an einem Mittwochmorgen, und ich streite mich mit meiner Partnerin darüber, wer zu Hause bleibt und sich um unsere drei Jahre alten Zwillinge kümmert, die so krank sind, dass sie heute nicht in die Kindertagesstätte gehen können. Meine Partnerin, Ökonomin bei einer Agentur für Entwicklungshilfe, schreibt gerade einen Bericht über Alternativen zum Wirtschaftswachstum und versucht, einen anspruchsvollen akademischen Beruf in Teilzeit – genau genommen in einer Dreitagewoche – auszuüben. Ich habe damit zu kämpfen, dass ich ein Buch, in dem es um das Finden erfüllender Arbeit geht, bis zum festgesetzten Termin fertigbekommen muss, und zwar unter den Bedingungen meiner Viertagewoche. Wir lieben unsere Kinder, engagieren uns auch für unsere Arbeit. Eigentlich möchte keiner von uns beiden einen nicht eingeplanten Tag für die Kinderbetreuung »opfern«, wie wir es sehen.
Dieses Dilemma ist allen vertraut, die »beides« wollen – einen erfüllenden Beruf ausüben und zugleich als Vater oder Mutter für die eigenen Kinder da sein. Falls Sie nicht zu den wenigen Glücklichen gehören, die Großeltern auf Abruf haben oder sich teure Kinderbetreuung leisten können, geht beides – Beruf und Kinder – zusammen unter Umständen schon aus Zeitgründen nicht, vor allem, wenn die Kinder noch nicht im schulpflichtigen Alter sind. Dass Sie zu wenig Schlaf bekommen und zu wenig Zeit für sich haben, wäre noch das Geringste, denn unter so viel Druck können Beziehungen zerbrechen, beruflicher Ehrgeiz auf der Strecke bleiben und Wahlfreiheit zur leeren Phrase verkommen.
Trotz der schwierigen Realitäten ist der Anspruch, Familie und Beruf zu wollen, in der westlichen Gesellschaft weit verbreitet. Das gilt verstärkt seit den achtziger Jahren, in denen das Ideal der »Superfrau« popularisiert wurde, die gut angepasste Kinder, eine tolle Ehe und einen Spitzenjob unter einen Hut bekommt. Aber ist es wirklich beiden – Frauen und Männern – möglich, beruflichen Erfolg und ein bereicherndes Familienleben zu vereinbaren? Statt diese Frage direkt zu beantworten, plädiere ich dafür, sie zunächst zu entmystifizieren. Ich möchte vier Blickwinkel vorschlagen, aus denen man das Thema, beides zu wollen, neu durchdenken kann.
Betrachten Sie es nicht als Ihr persönliches Problem – es ist ein gesellschaftliches Problem
Wenn Sie es schwierig finden, einen Beruf auszuüben, der Ihnen Freude macht und in dem Sie erfolgreich sind, und gleichzeitig Kinder großzuziehen, denken Sie daran: Das ist nicht Ihre Schuld. Zeitknappheit und die emotionalen Belastungen, die Ihnen zusetzen, resultieren zum großen Teil aus sozialen und kulturellen Bedingungen, die es vor allem Frauen erheblich erschweren, beides zu haben. Nicht Ihre Berufstätigkeit ist das Problem, die gesellschaftlichen Strukturen sind das Problem.
Zum Teil liegt das daran, dass sich die Einstellung der Männer zum Familienleben bisher nur wenig geändert hat und mit der Emanzipation der Frauen nicht Schritt hält. Die französische Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir erkannte das bereits in den vierziger Jahren. Im Zusammenhang mit dem seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts stark gestiegenen Anteil weiblicher Erwerbsarbeit stellte sie fest, dass die Frau »durch die Arbeit … den größten Teil des Abstands überschritten [hat], der sie vom Mann trennte.« Dennoch, so de Beauvoir weiter, kommen »die meisten Frauen aus
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