Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition)
Werke als Übersetzer mehrerer Schriften fungiert.
Anthologien marxistischer Texte zu verschiedenen Themen scheinen während der 1930er Jahre populär geworden zu sein, in Sammelbänden, die sich auf russische Fragen wie auch auf Themen anderer Länder bezogen und Schriften von Marx und Engels etwa zu Großbritannien, zu Kunst und Literatur, zu Indien, China, Spanien etc. vereinten. Unter den Kompendien genoss eine Schrift zweifellos die bei weitem höchste Autorität, die erstmals als der zweite Abschnitt des vierten Kapitels der Geschichte der KPdSU (B), kurzer Lehrgang erschien und Stalin selbst zugeschrieben wurde. Die Schrift hatte großen Einfluss, insbesondere auch in Ländern, in denen kaum einheimische Ausgaben der Klassiker zur Verfügung standen, und das nicht nur aufgrund des Drucks, der auf Kommunisten ausgeübt wurde, sie zu studieren, sondern auch wegen der einfachen und eingängigen Darstellung, die sie zu einem hervorragenden und effizienten Schulungshandbuch machte. Ihre Wirkung auf eine ganze Generation von Marxisten zwischen 1938 und 1956 – und möglicherweise speziell in Osteuropa nach 1945 – ist kaum zu hoch zu veranschlagen.
In den 1960er Jahren, namentlich mit dem Auftreten einer großen Menge von Studenten und anderen Intellektuellen, die am Marxismus Interesse zeigten, und zugleich mit dem Entstehen marxistischer und marxisierender Bewegungen und Strömungen außerhalb der kommunistischen Parteien, war die Verbreitung der Klassikerschriften nicht länger Monopol der KPdSU und der mit ihr verbundenen Parteien. Zunehmend belieferten »bürgerliche« Verlagshäuser diesen Markt, ob sie von Marxisten oder Sympathisanten im eigenen Haus dazu gedrängt wurden oder nicht. Auch die Zahl und die Vielfalt linker und »progressiver« Verlage vervielfachten sich. In gewisser Weise spiegelte sich darin zweifellos auch eine verbreitete Anerkennung von Marx als »Klassiker« in einem eher allgemeinen als politischen Sinn – Marx galt als Autor, über den durchschnittlich gebildete und kultivierte Leserinnen und Leser etwas wissen sollten, ungeachtet ihrer sonstigen ideologischen Orientierung. Aus diesem Grund wurde Marx in der Klassikersammlung der »Bibliothèque de la Pléiade« in Frankreich publiziert oder fand das Kapital schon früh Aufnahme in die britische »Everyman’s Library«. Das neue Interesse am Marxismus beschränkte sich indes nicht länger auf die gängigen klassischen Werke. So waren in den 1960er Jahren Schriften wie die Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie , Die heilige Familie , Marx’ Dissertation, die Manuskripte von 1844 oder die Deutsche Ideologie in Ländern erhältlich, die bislang kaum einen Spitzenplatz in der Marx-Rezeption eingenommen hatten, also etwa in Spanien. Auch Übersetzungen dieser und anderer Werke erfolgten nicht mehr in erster Linie unter kommunistischer Federführung, so beispielsweise im Falle der französischen, spanischen und englischen Ausgaben der Grundrisse (die erstgenannte erschien 1967/68, die beiden anderen folgten 1973; eine italienische Übersetzung erschien in zwei Bänden 1968 und 1970).
Abschließend noch ein paar Bemerkungen zur geographischen Verbreitung der marxistischen Klassiker. Einige der grundlegenden Schriften lagen schon vor der Oktoberrevolution in zahlreichen Übersetzungen vor. So erschien etwa das Kommunistische Manifest zwischen 1848 und 1918 in rund 30 Sprachen, einschließlich dreier japanischer Ausgaben und einer chinesischen – allerdings blieb Kautskys Schrift Karl Marx’ ökonomische Lehren die wichtigste Grundlage für den chinesischen Marxismus. Eine detaillierte Untersuchung der Wege des Kommunistischen Manifests unternimmt Kapitel 4. Das Kapital (Erster Band) wurde bereits vor Engels’ Tod in die meisten der großen europäischen Sprachen übersetzt und lag somit auf Deutsch, Russisch, Französisch, Dänisch, Italienisch, Englisch, Niederländisch und Polnisch vor; auch ins Spanische wurde es übersetzt, allerdings nicht vollständig. Vor der Oktoberrevolution kamen noch Übersetzungen ins Bulgarische (1910), Tschechische (1913–1915), Estnische (1910–1914), Finnische (1913) und Jiddische (1917) hinzu. Bei den westeuropäischen Sprachen gab es ein paar Nachzügler, die erst sehr viel später den Reigen beschlossen: Die Übersetzung ins Norwegische erschien 1930/31 (vermutlich so spät, weil die Sprachverwandtschaft mit dem Dänischen eine eigene Übersetzung weniger dringlich machte), während die erste,
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