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Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition)

Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition)

Titel: Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Hobsbawm
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Entwicklung und der Rolle revolutionären Handelns. Wenn die historische Entwicklung unweigerlich zum Ende des Kapitalismus und damit, so die Annahme, zum unausweichlichen Triumph des Sozialismus führt, dann konnte willentlichem Handeln keine entscheidende Rolle zukommen, es sei denn, der Apfel war reif genug, um vom Stamm der Geschichte herunterzufallen. Und selbst dann war die Frage, ob revolutionäres Handeln mehr tun konnte, als ihn aufzusammeln. In der Praxis schuf das für eingefleischte Revolutionäre nur dort Probleme, wo keinerlei Aussichten auf eine soziale Revolution bestanden. Die radikale Linke der Jahre vor 1914, die nach aktivem Eingreifen lechzte, lehnte einen Marxismus ab, der mit den evolutionären Erwartungen der deutschen Sozialdemokratie in Verbindung gebracht wurde. Der junge Gramsci sprach sogar von einer »Revolution gegen Das Kapital «. Erst der Erste Weltkrieg und die russische Oktoberrevolution brachten ihren Ultra-Radikalismus dann über Lenin wieder zurück zu Marx. Die neuen linksradikalen Bewegungen der 1960er Jahre, die sich ebenfalls um jeden Preis dem Aktivismus verschrieben hatten, traten auf den Plan, als der Erfolg des westlichen Kapitalismus seinen Höhepunkt erreicht hatte und durch steigende Einkommen, den Sozialstaat und die Symbiose von Unternehmen und Gewerkschaften gefestigt wurde. Sie hatten mit Sicherheit Marx nicht abgeschworen, sein bärtiges Antlitz war nunmehr zur Ikone der Revolution geworden, wurde allerdings zunehmend durch ein geeigneteres Sinnbild des bewusst herbeigeführten Aufstands ersetzt, nämlich Che Guevara.
    Was sie an Marx freilich nicht mochten, war weniger der unvermeidliche »Vormarsch der Labour-Partei«, den die Sozialdemokraten bei Marx herauslasen, sondern die strikte und zentralisierte Parteiorganisation, die Lenin ihm übergestülpt hatte. Revolutionsgeschichtlich gesehen stellten die Linkradikalen der 1960er Jahre eine Rückwendung von Marx zu Bakunin dar. Alles, was sie am Sowjetkommunismus hassten, hatte mit dessen disziplinierter Zentralisierung zu tun, mit den zentral von oben vorgegebenen Wahrheiten und Aktionen sowie mit den unendlich vielen Opfern Stalins. Aktives Handeln sollte der Spontaneität, Initiativen von unten, der uneingeschränkten Selbstbekundung (»sein eigenes Ding machen«) entspringen; Führerschaft war suspekt, Entscheidungen sollten von den vielfältigen Stimmen in Graswurzelversammlungen getroffen werden. Umgekehrt konnten diejenigen, die weiterhin am traditionellen Ziel marxistischer Revolutionäre festhielten, nämlich dem politischen Machttransfer, nicht mehr darauf setzen, dass die Geschichte in den Gesellschaften der Klassenunterdrückung »revolutionäre Situationen« im Lenin’schen Sinne entstehen ließ. Sie setzten ihre Hoffnung deshalb zunehmend auf geplante Aufstände und Terroraktionen durch kleine illegale Gruppen, wie sie von den Marxisten traditionell abgelehnt wurden. In armen und unterentwickelten Ländern ließen sie sich durch die Annahme rechtfertigen, dass solche Regionen ständig am Rande des gesellschaftlichen Brandes standen und in Flammen aufgehen würden, sobald sich die Initiative von Guerillagruppen von außen wie etwa Che Guevara auf sie »fokussierte«. (In der Praxis scheiterte diese von der kubanischen Revolution inspirierte Theorie in den 1960er und 1970er Jahren auf dem von ihr auserkorenen Kontinent völlig, mochte sie von Régis Debray auch noch so elegant formuliert worden sein.) 6 In den reichen Ökonomien konnten sie nur auf die alte anarchistische Parole von der »Propaganda der Tat« zurückgreifen, den Terror kleiner Gruppen, der in einer Mediengesellschaft, die nach Schlagzeilen und dramatischen Bildern lechzte, unerwartete Auswirkungen zeitigen sollte.
    Aus dem Nach-1956er-Ferment der alten (marxistischen) Linken und dem neuen kulturellen Radikalismus der 1960er Jahre entstand eine Reihe von Tendenzen, die sich von der traditionellen marxistischen Analyse entfernten, gleichzeitig aber (wenn auch nicht immer) weiterhin auf der Linken verorteten: Zu nennen sind hier insbesondere die Bewegung um die Zeitschrift History Workshop in Großbritannien, die »Alltagsgeschichte« in Deutschland, die »Subaltern School« in Indien, verschiedene Formen der Kritischen Theorie und eine ganze Reihe neuer feministischer oder anderer Identitätsgeschichten, die für sich in Anspruch nahmen, »neue soziale Bewegungen« zu repräsentieren, die, so hoffte man, die Lücke füllen würden, die

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