Wie man Freunde gewinnt
Petrucello bedient, die sich jedesmal nach ihrem Befinden erkundigt und ihr baldige Genesung gewünscht hat.»
Gibt es noch irgendwelche Zweifel daran, daß die Brief schreiberin weiterhin Kundin dieser Bank bleiben wird?
Charles Walters, der in einer der größten Banken von New York City arbeitete, erhielt den Auftrag, einen vertraulichen Bericht über eine bestimmte Gesellschaft auszuarbeiten. Seines Wissens gab es nur einen einzigen Mann, der über die Unterlagen verfügte, die er zu diesem Bericht unbedingt benötigte: den Direktor eines großen Industriekonzerns. Im gleichen Augenblick, als er das Büro des Mannes betrat, streckte eine Sekretärin den Kopf herein und teilte ihrem Chef mit, daß sie heute leider keine Marken für ihn habe.
«Ich sammle nämlich Briefmarken für meinen zwölfjährigen Sohn», erklärte der Direktor seinem Besucher.
Walters erklärte den Grund seines Kommens und stellte dem
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Direktor einige Fragen. Seine Antworten waren ziemlich unverbindlich, allgemein und unklar. Er wollte nicht auspacken, und es schien, als könne ihn nichts zum Sprechen bewegen. Die Unterredung war kurz und dürftig.
«Ich hatte, offen gestanden, keine Ahnung, was ich nun tun sollte», sagte Walters, als er seine Geschichte vor der Klasse erzählte. «Dann kam mir in den Sinn, daß die Auslandsabteilung unserer Bank Marken sammelt, mit denen die Briefe frankiert sind, die aus aller Welt bei uns eingehen.
Am nächsten Nachmittag ging ich abermals beim Büro des besagten Direktors vorbei und meldete, ich hätte einige Briefmarken für seinen Sohn. Die Begeisterung hätten Sie sehen sollen, mit der ich empfangen wurde. Er hätte mir die Hand nicht herzlicher schütteln können, wenn er für den Kongreß kandidiert hätte. Lächeln und Strahlen übers ganze Gesicht. ‹Da wird sich mein Junge aber freuen›, wiederholte er ein ums andere Mal. ‹Haben Sie die hier schon gesehen? Einzigartig!›
Wir brachten eine halbe Stunde damit zu, Briefmarken anzuschauen und das Bild seines Sohnes zu betrachten, und dann widmete er mir über eine Stunde und gab mir sämtliche Auskünfte, die ich brauchte - ohne daß ich ihn überhaupt darum gebeten hatte. Er sagte mir alles, was er wußte, ließ seine Mitarbeiter kommen und fragte sie noch nach weiteren Einzelheiten und telefonierte sogar mit einem Geschäftsfreund.
Schwer mit Tatsachen, Zahlen, Rapporten und Korrespondenz beladen, verließ ich sein Büro. In der Sprache der Journalisten ausgedrückt, hatte ich meinen Knüller beisammen.»
Wählen wir als zweites Beispiel den Brennstoffhändler Charles Knappe. Seit Jahren hatte er sich bemüht, der zentralen Einkaufsleitung einer Kette von Ladengeschäften Heizöl zu verkaufen. Aber die Firma bezog das Heizöl für ihre Detailgeschäfte weiterhin bei einem auswärtigen Großhändler und verkaufte es dann praktisch unter Mr. Knappes Nase weiter.
Mr. Knappe hielt darüber eines Abends vor der Klasse eine
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kleine Rede und brachte seinen wilden Zorn über diese Ladenketten zum Ausdruck, die eine Schande wären für die ganze Nation.
Trotzdem wunderte er sich weiterhin, warum sie ihr Heizöl nicht bei ihm kauften.
Ich machte die Anregung, eine andere Taktik einzuschlagen, und wir einigten uns darauf, in der Klasse eine Debatte zu veranstalten über die Frage, ob Ladenketten unserem Lande mehr schadeten als nützten.
Auf meinen Vorschlag hin übernahm Knappe die
Verteidigung der Ladenketten. Um sich mit Argumenten zu wappnen, suchte er unverzüglich den Direktor der betreffenden Ladenkette auf, die ihm so verhaßt war und sagte: «Ich bin nicht hergekommen, um Ihnen mein Heizöl anzubieten, sondern ich möchte Sie um einen Gefallen ersuchen.» Er erzählte ihm von unserer Debatte und schloß: «Ich möchte um Ihre Hilfe bitten, denn ich wüßte niemanden, der kompetenter wäre, mir die nötigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, damit ich meine Argumente zur Verteidigung der Ladenketten ausarbeiten kann.
Ich möchte die Debatte unbedingt gewinnen und wäre Ihnen für jede Unterstützung sehr dankbar.»
Der Rest der Geschichte sei in Mr. Knappes eigenen Worten erzählt.
«Ich hatte diesen Mann gefragt, ob ich ihn genau eine Minute lang sprechen dürfe. Nur unter dieser Bedingung hatte er eingewilligt, mich überhaupt zu empfangen. Nachdem ich mein Anliegen vorgetragen hatte, bot er mir einen Stuhl an und unterhielt sich genau eine Stunde und siebenundvierzig Minuten mit mir über seine Ladenkette. Er
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