Wie man Freunde gewinnt
kommen.
Jeder Brief wurde von ungefähr hundertfünfzig Studenten unterzeichnet. Wir schrieben ihnen auch, wir wären uns absolut bewußt, wieviel sie zu tun hätten, und wir hätten volles Verständnis dafür, daß es ihnen vielleicht nicht möglich sei, noch zusätzlich einen Vortrag zu halten. Dann legten wir unserem Brief eine Liste mit Fragen über sie selbst und ihre Arbeitsweise bei, die sie auch schriftlich beantworten konnten.
Das gefiel ihnen. Wem würde es nicht gefallen? Und sie kamen einer nach dem andern nach Brooklyn gereist, um uns behilflich zu sein.
Mit genau der gleichen Methode brachte ich eine Reihe höherer Regierungsbeamter und andere prominente
Persönlichkeiten dazu, vor den Schülern meiner Rednerkurse zu sprechen.
Wir alle, seien wir nun Fabrikarbeiter oder Büroangestellte oder Menschen von königlichem Geblüt, haben es gern, wenn man uns bewundert. Nehmen wir als Beispiel den deutschen Kaiser. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war er wahrscheinlich der meistgehaßte Mann der Welt. Selbst sein eigenes Volk kehrte sich gegen ihn, als er nach Holland floh, um seine Haut zu retten. Der Haß war so groß, daß Millionen von Leuten ihn am liebsten gevierteilt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt hätten. Mitten in dieser Woge des Zorns und des Hasses schrieb ein kleiner Junge dem Kaiser einen einfachen, aufrichtigen Brief. Aus jedem Wort sprach ehrliche Bewunderung. Er werde seinen Kaiser immer lieben, was auch die Leute sagen mochten, beteuerte der kleine Briefschreiber.
Der Kaiser war von diesen Worten zutiefst gerührt und lud den
-81-
Knaben ein, ihn zu besuchen. Dieser kam in Begleitung seiner Mutter, die der Kaiser dann später heiratete. Der kleine Junge brauchte nicht erst aus einem Buch zu lernen, wie man Freunde gewinnt, er wußte es instinktiv.
Wenn wir Freunde gewinnen wollen, dann müssen wir für die anderen etwas tun - etwas, das von uns Zeit, Mühe, Selbstlosigkeit und Aufmerksamkeit fordert. Als der Herzog von Windsor noch Prinz von Wales und britischer Thronanwärter war, wurde er auf eine Reise nach Südamerika geschickt. Ehe er abfuhr, lernte er monatelang Spanisch, um seine öffentlichen Ansprachen in der Sprache des Gastlands zu halten. Das trug ihm bei den Südamerikanern außerordentliche Beliebtheit ein.
Seit jeher gab ich mir Mühe, die Geburtstage meiner Freunde herauszubekommen. Wie man das fertigbringt? Obschon ich nicht das geringste von Astrologie halte, fragte ich den andern zunächst einmal, ob er daran glaube, daß der Geburtstag eines Menschen einen Einfluß auf seinen Charakter und seine Veranlagung habe. Im Verlauf des Gesprächs erkundigte ich mich dann, in welchem Monat und an welchem Tag er selber geboren wurde. Nannte er vielleicht den 24. November, dann wiederholte ich in Gedanken: «24. November, 24.
November...», und kaum drehte er mir den Rücken zu, schrieb ich mir das Datum auf, um es später in meinen Kalender zu notieren. Am Anfang jedes Jahres übertrug ich alle Geburtstage jeweils in den neuen Kalender, so daß ich im Laufe der Monate automatisch darauf stieß. Sobald der betreffende Tag heranrückte, schickte ich einen Brief oder ein Telegramm mit meinem Glückwunsch. Das wirkte! Oft war ich der einzige Mensch auf der Welt, der überhaupt daran gedacht hatte.
Wenn wir Freunde gewinnen wollen, dann müssen wir die Menschen mit Freude und Begeisterung begrüßen. Das gilt auch am Telefon. Legen Sie in Ihren Gruß einen Ton, der erkennen läßt, wie erfreut Sie über diesen Anruf sind. Manche Firmen schulen ihre Telefonistinnen darin, auf jeden Anruf mit einer
-82-
Stimme zu antworten, aus der Aufmerksamkeit und
Begeisterung klingen. Das gibt dem Anrufenden das Gefühl, daß sich die Firma für ihn interessiert. Denken Sie daran, wenn Sie das nächstemal den Hörer abheben.
Dem andern Menschen mit aufrichtigem Interesse zu begegnen, schafft Ihnen nicht nur Freunde, sondern Ihrer Firma auch treue Kunden. In einer Nummer ihrer Hauszeitung veröffentlichte die National Bank of North America in New York den folgenden Brief einer Kontoinhaberin:
«Ich möchte Ihnen gerne einmal sagen, wie sehr ich Ihre Angestellten schätze. Sie sind ausnahmslos höflich, zuvorkommend und hilfsbereit, und es macht einem Freude, nach längerem Anstehen vor dem Schalter vom Beamten freundlich begrüßt zu werden.
Meine Mutter lag letztes Jahr fünf Monate lang im Krankenhaus. Während dieser Zeit wurde ich häufig von Ihrer Kassiererin Marie
Weitere Kostenlose Bücher