Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht
über Twitter bis Facebook ansehe, bin ich immer wieder verblüfft, wie sehr ihre Nutzung einem Spiel gleicht, indem sie die Mühen ihrer Nutzer mit Metriken wie der Anzahl von Freunden belohnen; sie schaffen so einen steten, mitreißenden Fluss von Aktionen und Reaktionen mit Möglichkeiten zu Zusammenarbeit und Wettbewerb. Freilich müssen wir manchmal auch erwachsen werden. Doch die Verlockung dieser spielerischen Mechanismen wird bleiben. Meiner Ansicht nach zeigt dies, in welchem Maße digitales Spiel ein Fenster zur Zukunft unserer Bedürfnisse und Verhaltensweisen bietet – und wie die spielerische Freiheit dieser Räume unsere Erwartungen an die Gesellschaft und unsere Mitmenschen verändern könnte.
Ein interessanter Begriff ist in diesem Zusammenhang die sogenannte »Spielbeit« – eine Wortkombination aus »Spiel« und »Arbeit«, mit der die Zunahme realer Arbeitskraft beschrieben wird, die auf lediglich in der virtuellen Welt existente Güter verwendet wird. Sogar das Wort »existieren« an sich könnte in diesem Zusammenhang problematisch erscheinen. Sowohl meine Frau als auch ich spielen das Online-Fantasy-Spiel World of Warcraft seit seinem Erscheinen im Jahre 2004. Hinter unseren Spieler-Rollen stecken viele tausend Stunden Spielzeit, und ihre Ausrüstung ist in wochenlangen kühnen Unternehmungen, Abenteuern und Erkundungen in der Gesellschaft Dutzender anderer Spieler erworben. In welchem Sinne aber existieren diese digitalen »Avatare« tatsächlich? Im Grunde sind sie kaum mehr als elektrische Ladungen auf der Festplatte eines Computersystems des Unternehmens, welches das Spiel anbietet.
Die einzig denkbare Antwort auf diese Frage muss den kollektiven Glauben mit einbeziehen. Der Wert meines Avatars ist ebenso real oder irreal wie der Wert des Geldes auf meinem Konto – vielmehr ist er auf ganz ähnliche Weise abhängig von Vertrauen und Konsens. Über zehn Millionen Menschen auf der ganzen Welt haben für das Recht bezahlt, World of Warcraft spielen zu dürfen. Wenn einer dieser Spieler für seinen Avatar eine tolle Ausrüstung haben möchte, ohne selbst Hunderte Spielstunden zu investieren, dann sind die Bemühungen eines anderen exakt so viel wert, wie er oder sie dafür zu zahlen bereit sind; ein Kurs, der bei seinem Höchststand nicht selten über 1000 US-Dollar für einen außergewöhnlichen Avatar betrug.
Die Industrie, die einen solchen Bedarf deckt, ist zum überwiegenden Teil nicht von den Spielunternehmen genehmigt, und doch hat sie ein Volumen von Hunderten Millionen Dollar – Zeugnis für das Ausmaß des Glaubens, der Zeit und der Mühen, die mittlerweile in virtuelle Räume investiert werden. Angesichts der emotionalen Erlebnisse, welche die besten Spiele denjenigen bieten, die bereit sind, im Spiel hart zu »arbeiten«, ergibt dies in gewisser Weise sogar einen Sinn – trotz des bizarren Missverhältnisses, wenn Hunderte oder sogar Tausende von Dollar für ein virtuelles Artefakt bezahlt werden.
Es ist beispielsweise kein Zufall, dass viele der weltweit beliebtesten Spielwelten eine ländliche Einfachheit darstellen: Bauernhöfe, mittelalterliche Festungen, idealisierte Graslandschaften. Ein Spieltag kreist häufig um Themen wie Ernte oder Handel, ganz ohne die grausame Realität harter Knochenarbeit. Angefangen bei der Herstellung von Produkten, auf die wir stolz sein können, bis zu den Freuden erfolgreicher Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel gibt es hier Dinge, die das Arbeitsleben in der realen Welt häufig nicht bieten kann. Zugleich kann die idyllische Einfachheit der sofortigen Belohnung einer geschickten Handlung durch ein attraktives Resultat – und sei es virtueller Natur – auf ihre Weise ebenso befriedigend sein wie die Fertigung einer realen Holzschüssel oder das Backen eines Brotes.
Ich bin niemand, der – abgesehen von meinen verschiedenen monatlichen Abonnements – in virtuellen Welten echtes Geld ausgibt oder verdient. Doch fällt es mir schwer, eine klare Grenze zwischen 50 Pfund für ein Paar Markenjeans und derselben Investition in eine virtuelle Designer-Ausrüstung für einen Avatar zu ziehen. Das eine kann man berühren, das andere nicht. Beides braucht man nicht unbedingt – und die virtuelle Variante kann im Zweifel mehr Freude bereiten als die reale.
Dieselben grundlegenden wirtschaftlichen Erwägungen bestimmen sämtliche solcher Käufe, deren Motivation nicht der inhärente Wert ist, sondern die Position, welche diese Objekte in
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