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Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht

Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht

Titel: Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Chatfield
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ihren Webseiten erschien, die Verantwortung übernehmen sollten.
    O’Reillys siebter Punkt jedoch war mehr allgemeiner Natur und ist bis heute eine der trefflichsten Zusammenfassungen, was gute »Netikette« ausmacht. In einem Satz: »Sag im Netz nichts, was du nicht persönlich sagen würdest.«
    O’Reilly forderte damit bei digitalen Interaktionen ein Leitprinzip des Anstandes, und zwar in einem strikt etymologischen Sinne des Wortes Anstand (engl. civility ): das angemessene Verhalten eines Bürgers oder Stadtbewohners, der in direkter Nachbarschaft mit anderen leben muss. »Ich glaube, dass Anstand ansteckend ist«, so schrieb er später in seinem eigenen Blog, »Unhöflichkeit und Grobheit aber auch. Wenn man solch ein Verhalten toleriert, wird es immer schlimmer. Die Blogging-Gemeinde existiert nicht, ebenso wenig wie die Gemeinde in einer Großstadt … Es ist kein Zufall, dass ›zivil‹ auch die ersten beiden Silben des Wortes ›Zivilisation‹ sind.«
    Der Gedanke, sich zu verhalten, als wären die Kommunikationspartner »in persona« anwesend, ist sehr machtvoll. Eine Form der Online-Objektivierung, die ebenso verwerflich ist wie die Pornografie, ist das sogenannte Cyber-Mobbing, das von einfachen verbalen Beschimpfungen bis hin zur umfassenden Verfolgung über Seiten und Dienste hinweg reicht und Arbeit und Freizeit empfindlich beeinträchtigen kann.
    In der 2012 erschienenen deutschen Ausgabe ihres Buches Verloren unter 100 Freunden zeichnet die ameri kanische Psychologin und MIT-Professorin Sherry Turkle ein beängstigendes Bild davon, zu welchem Grad ein junges Leben durch solche Verhaltensweisen Schaden nehmen kann.
    Einer ihrer Interviewpartner, ein Student namens Zeke, beschreibt, wie er Bilder aus Zeitschriften einscannt und Profile imaginärer Menschen konstruiert, deren Identitäten er daraufhin nutzt, um auf MySpace extrem kritische Konversationen über sich selbst zu führen. Dann beobachtet er, wer von seinen Kontakten sich anschließt, um, wie er sagt, »herauszufinden, ob mich jemand hasst« – eine Erwartung, die in der paranoiden, angespannten, gerüchteschwangeren Subkultur, in welcher er sich bewegt, vermutlich nicht enttäuscht wird. Die digitale Schmähung ist dort eine Form des gesellschaftlichen Todes.
    Eine Entpersonalisierung wie in Zekes Fall beinhaltet die Ausnutzung digitaler Bequemlichkeit und Unwirklichkeit zur Aushöhlung der zentralen Werte menschlichen Daseins: soziale Identität, die Fähigkeit zu zwischenmenschlichen Kontakten und die Möglichkeit, sich offen auszudrücken und mitzuteilen.
    Die digitale Technologie ist nicht die Wurzel all dessen, sondern ermöglicht es lediglich. In der digitalen Sphäre kann heute jedermann viele seiner primitivsten Triebe befriedigen, was die meisten irgendwann auch tun. Dennoch müssen wir füreinander mehr als nur Objekte sein; wir müssen sowohl im Netz als auch in der realen Welt Räume finden, in denen wir einander »in persona« akzeptieren, nämlich als Menschen, denen ein gewisser Anstand geschuldet ist.
    Anonymität ist kein unabwendbares Übel, ebensowenig, wie die Kenntnis des Namens einer Person deren einwandfreies Verhalten garantiert. Vielmehr müssen wir jener Art Eigeninteresse widerstehen, das sämtliche unserer Online-Interaktionen – ob nun anonym in einer virtuellen Welt oder unter Freunden auf Facebook – ausschließlich als Mittel zur persönlichen Befriedigung einstuft.
    Dies ist zuoberst eine Frage der Stärke und Integrität unserer Gemeinschaften und ihrer Kapazität, eine effiziente Selbstregulierung unter Einbeziehung allgemeiner Verhaltensregeln zu schaffen: eine Selbstkontrolle mit einer übergeordneten Autorität. Auf jeden Fall müssen bestimmte Grenzen gezogen werden. Online und in Wirklichkeit sind wir nur so menschlich, wie es andere uns gestatten.

    4 Vorwort zu Crash , J.G. Ballard (Jonathan Cape 1973).

7 Spiel und Vergnügen

1.
    Im Jahre 2006 untersuchte der amerikanische Psychologe Geoffrey Miller anhand eines Artikels aus der Zeitschrift Seed das sogenannte Fermi-Paradoxon, benannt nach dem italo-amerikanischen Physiker Enrico Fermi, der seine Forschungen Ende der Fünfziger publik machte. Warum, so fragte Fermi, hat die Menschheit trotz der gewaltigen Größe und des Alters des Universums und der Anzahl seiner möglicherweise bewohnbaren Planeten nie einen Hinweis auf eine außerirdische Intelligenz gefunden?
    Traditionelle Antworten auf Fermis Frage reichen von der Annahme,

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