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Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht

Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht

Titel: Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Chatfield
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verschiedenen Zusammenhängen der Knappheit, der Wahrnehmung, der Information und der Darstellung einnehmen.
    Bereits die Bezeichnung eines Objekts als »virtuell« kann in diesem Zusammenhang irreführend sein. Wenn wir anerkennen, dass der Besitz von Daten und Pixeln ein ebenso ernstzunehmendes Geschäft ist wie der Ölhandel, dann wird die Regulierung unregulierter Transaktionen in zunehmendem Maße zu einer ganz realen Notwendigkeit – nicht zuletzt deshalb, weil derartige Objekte auf völlig neuartige Weise geschaffen, besessen und erworben werden. Wo der kollektive Glaube regiert, kann nur eine ökonomische Struktur überleben, welche bei den Nutzern tatsächlich auch Vertrauen schafft – etwas, das virtuelle Aktivposten am Ende als attraktivere Investition erscheinen lässt als viele sogenannte »reale«.
    3.
    Was die virtuelle Realität angeht, so ist das Eintauchen in eine mittelalterliche Scheinwelt längst nicht mehr der letzte Schrei. In den achtziger und neunziger Jahren schien es, als läge die interessanteste Zukunft der digitalen Unterhaltungsmedien in möglichst real anmutenden virtuellen Welten. Nur ein Jahrzehnt später jedoch wird zunehmend klar, dass die Zukunft des Online-Entertainments weniger wie Matrix aussehen könnte als etwas, das in seiner Reichweite gleichzeitig simpler und breiter angelegt ist.

    Spieler, die zu ungeduldig sind oder keine Zeit haben, sich mühsam im Spielkosmos hochzuarbeiten, können die digitale Plackerei nach China auslagern und andere für sich spielen lassen – natürlich gegen Bezahlung.
(Internet-Café © Martin Puddy / Getty Images)
    Wie bereits erwähnt, hat World of Warcraft , das lukrativste Online-Rollenspiel der Geschichte, in den sieben Jahren seit seiner Einführung etwa zehn Millionen Abonnenten angelockt. Seit seinem Erscheinen im Dezember 2009 hat indes eine ganz andere Spezies von Spiel erfolgreich Einzug im Leben einer halben Milliarde Nutzer gehalten: Angry Birds .
    Angry Birds ist ein Spiel von beinahe elementarer Einfachheit. In einer hübschen, zweidimensionalen Comic-Welt haben böse Schweine den Titel gebenden Vögeln ein paar Eier gestohlen. Die Aufgabe des Spielers besteht nun darin, den Vögeln dabei zu helfen, diese wiederzubeschaffen. Dazu müssen unzählige wackelige Befestigungsanlagen der Schweine durch Katapultschüsse von einer festen Position aus zerstört werden.
    So etwas bezeichnet man auch als »Physik-Spiel«, weil der Spaß darin besteht, den Winkel und die Stärke einer begrenzten Anzahl von Schüssen so geschickt zu wählen, dass die Befestigungen demoliert und die Schweine getroffen werden. Abgesehen von einigen unterschiedlichen Vogelarten – die als Munition dienen – ist dies eine komplette Zusammenfassung des Spiels. Auf einem Touchscreen-Gerät wie einem Smartphone oder einem Tablet spannt man das Katapult mit dem Finger, zielt und lässt los. Und noch einmal. Viele tausend Mal.
    Angry Birds ist ein Kind der jüngsten Phase in der Entwicklung der Spieletechnologie. Inzwischen gibt es in Form von Smartphones und Tablets leistungsfähige, mobile Computer. Beinahe über Nacht waren elektronische Spiele nicht mehr die Domäne selbst ernannter »Gamer«, die auf teuren Konsolen und hochgerüsteten Computern spielten. Im Gegenteil: Elektronische Spiele sind heute zunehmend ein Massenzeitvertreib.
    In der U-Bahn, beim Warten auf einen Termin, sogar im Aufzug oder auf der Rolltreppe bieten Spiele wie Angry Birds selbst innerhalb weniger freier Minuten ein immens fesselndes Vergnügen. Sie verbannen die Langeweile aus dem Alltag; sie erfordern Geschicklichkeit, Anstrengungen werden belohnt. Sie tun somit genau das, was sich Geoffrey Miller 2006 vorstellte, als er die vergnügungssüchtigen Außerirdischen beschrieb, die keinerlei Interesse mehr daran haben, im Universum nach anderen Lebensformen zu suchen. Ob Angry Birds oder Warcraft – die psychologischen Mechanismen, die ein gutes Spiel ausmachen, sind in ihrer Grundstruktur stets jenen ähnlich, die eine positive digitale Erfahrung bewirken.
    Sie umfassen einen begrenzten und abgegrenzten Schauplatz, an dem die endlose Komplexität der Wirklichkeit durch etwas Einfacheres und Intensiveres ersetzt wird: eine Reihe von Problemen, die es zu lösen gilt, erforderliche Handlungen, die bei richtiger Ausführung garantiert die erwünschte Wirkung zeigen. In diesem Sinne ist Angry Birds tatsächlich eine Utopie: ein unveränderlicher Garten Eden mit Gras, blauem Himmel,

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