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Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Titel: Wie man leben soll: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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man ist in einem Alter, in dem es nicht mehr illegitim wäre, auf die Annonce der versauten Naturfranzösin oder der charmanten Zweilochstute zu antworten.
     
    Merke: Um das Leben kennenzulernen, ist der Erwerb lüsterner Schriften durchaus dienlich.
     
    Hat man die Zeitschrift aufmerksam durchgeblättert, ist man auf eine Reihe von Inseraten gestoßen, die zu beantworten sich lohnen könnte. Im Geist setzt man die Briefe auf, während man masturbiert. Sonderbarerweise ist nach dem Orgasmus die Begeisterung für die potenziellen Brieffreundschaften verflogen.
     
    Wenn man sich an diesem Abend im Café mit einer Mitstudentin trifft, die zwar ein Doppelkinn und teigige Haut, aber funkelnde Augen und Grübchen hat, kommt eine altbewährte Praxis zurAnwendung. Vorzeitig am Ort, liest man in einem berühmten, von einer überragenden Geistesgröße verfassten Buch, das man bei der Ankunft der Erwarteten mit dem Umschlag nach oben auf den Tisch legt.
     
    Merke: Den Eindruck, den alltägliche und unbefangene Intellektualität macht, sollte man nicht unterschätzen.
     
    Da man an diesem Tag entspannt ist und mit der Welt im Einklang steht, hat man das Glück, dass sich die Kommilitonin bereit erklärt, mit in die Wohnung zu kommen. Dort treten jedoch alsbald Probleme auf. Man ist sich nicht sicher, ob die Kollegin kopulieren möchte.
    Wenn man zwischen ihren Beinen liegt und den dort aufsteigenden Duft einatmet, ist man so erregt, dass man überzulaufen fürchtet. Trotzdem widmen sich Zunge und Lippen bedachtsam ihrem Hochzeitswerkzeug. Man leckt und saugt und streichelt fünf Minuten, zehn Minuten, die Kommilitonin windet sich. Zwanzig Minuten. Eine halbe Stunde. Man rätselt, ob die vorgeschriebene Mindestdauer eines korrekten Vorspiels schon erreicht wurde.
    Sehr viele Jahre später wird man wissen, was sich die Kollegin in diesen Minuten dachte:
    – Wann unternimmt der Kerl endlich etwas?

 
    Wenn man zwanzig ist, gibt es Wahlen. Zum ersten Mal darf man seine staatsbürgerliche Pflicht erfüllen. Gemeinsam mit Freunden veranstaltet man aus Anlass des Urnengangs ein Fest. Dabei achtet man auf eine ausgewogene Geschlechterverteilung. Es gibt nichts Entsetzlicheres als Männerrunden, da Männer laut
Die Persönlichkeit
im Allgemeinen weniger intelligent sind als Frauen und im Sozialen und Kommunikativen beschränkter. Ein Abend in ausschließlich männlicher Gesellschaft ist wie eine Party im Affenkäfig. Natürlich spielt der sexuelle Aspekt eine Rolle. Doch selbst die Gesellschaft einer gemischten Runde mit hässlichen Frauen ist der einer Männerrunde vorzuziehen.
    Das Fest in Ediths Wohnung beginnt bereits um zwei, da um fünf, wenn die ersten Hochrechnungen bekannt gegeben werden, alles betrunken sein muss, zumal es bekanntlich seit Menschengedenken kein gelungenes Fest ohne krankhaft exzessiven Konsum schweren Alkohols gegeben hat.
    Der Verband Sozialistischer Studenten verfügt über eine zahlenmäßige Übermacht unter den Anwesenden, was die freie Meinungsäußerung spürbar einschränkt. Allerdings hat man sowieso nicht die Absicht gehabt, irgendeine Meinung zu äußern.
    Die Party lahmt. Es trifft sich bestens, dass sich die Gastgeberin gegen vier Uhr bereit erklärt, Geschlechtsverkehr auszuüben. Man zieht sich mit ihr in ein Kämmerchen zurück und frönt der Liebe.
     
    –  Was ist denn? Passt etwas nicht?
    –  Wenn ich ficken will, sitze ich oben, sagt Edith.
    –  Natürlich, Entschuldigung.
     
    Merke: Nach dem Sex fühlt man sich immer, als habe man eine Aufgabe erfüllt.
     
    Draußen entdeckt man eine interessante Jungsozialistin. Sie steht in einer Ecke und unterhält sich mit einem Kerl. Ihr Gesicht ist von einigen Narben etwas entstellt, aber sie gefällt einem trotzdem. Natürlich ist sie nicht so schön wie Paoletta, aber da man selbst nicht so schön ist wie Aaron, der Schauspieler, mit dem Paoletta nun die Nächte verbringt, würde die Gleichung stimmen.
    Es heißt, Gelegenheit macht Liebe, und dieser Satz ist nicht falsch. Richtig wäre jedoch:
Nur
Gelegenheit macht Liebe. Zumindest jene Liebe, die ein wenig Erfüllung findet. (
Die große Geschichte der Rockmusik, psychologisch betrachtet
, über Mick Jagger und Jerry Hall.)
    Als man an ihr vorbeigeht, hört man sie sagen:
    – Wo hast du mich da hingeschleppt? Der reinste Zirkus!
    Eigentlich wollte man sie ansprechen. Jetzt traut man sich nicht mehr.
     
    Die Hochrechnung führt in der Wohnung zu Katzenjammer. Zwar verlieren die

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