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Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Titel: Wie man leben soll: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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bestimmten Werk durch Buchhandlungen streift oder fluchend einen Fahrradreifen flickt, der zum wiederholten Mal der Belastung durch den Fahrer nicht mehr standgehalten hat. Es ist dies der genetischerteilte Auftrag, Samen zu verstreuen, steht in
Der Körper
. Bei unfreundlicher Betrachtung der Sachlage könnte man es auch einen genetischen Defekt nennen.

 
    Der hirnerweichenden Praxis des Cannabiskonsums überdrüssig, fragt man sich, ob das Studium der Kunstgeschichte die richtige Entscheidung war. Es ist schrecklich anstrengend, frühmorgens aufzustehen und für die langweilige Achtuhrdreißig-Vorlesung zur Universität zu fahren. Viel lieber widmet man sich der Lektüre von Karl-May-Romanen. Man liegt im Bett und liest zum x-ten Mal
Winnetou III
oder
Satan und Ischariot
. Sich in den Wilden Westen zu versetzen, während draußen der Regen aufs Fensterbrett prasselt, vermittelt das Gefühl von Geborgenheit.
    Und noch viel gemütlicher als zu Hause oder gar an der Universität ist es nach Mittag im Café Schiller, wo man sich die Zeit bei Brettspielen, am Flipperautomaten, mit Zeitungen oder im Gespräch mit anderen Menschen vertreiben kann. Tagsüber kehren Künstler und andere Tagediebe dort ein, abends kommen schöne Frauen vorbei. Ein paradiesischer Ort.
     
    Eines Morgens wird man von Getrommel an der Wohnungstür geweckt. Mit einem Huuuch! fährt man hoch. Aufgeregt läuft man durchs Zimmer. Eigentlich will man nicht aufmachen. Das Getrommel ist jedoch so aufdringlich, dass man nachgerade gezwungen wird, im Pyjama zur Tür zu tappen und zu öffnen.
     
    Merke: Wenn ein kräftiger Mann mit Schnauzbart und Goldkettchen vor der Tür steht und fragt, ob man der ist, der man ist, mag man nicht der sein, der man ist.
     
    Da man es nicht für ratsam hält, einen Mann dieses Erscheinungsbilds anzulügen, nickt man. Er stellt sich als Inkassant der Tageszeitung vor, die man abonniert, aber noch nie bezahlt hat. Er will das Geld auf der Stelle, sonst werde gepfändet.
    Einen Besuch beim Geldautomaten lehnt der Mann ab. Mit Mühe und nicht ohne den Frevel, ein von Iris vergessenes Sparschwein zu zerbrechen, gelingt es, die fällige Summe zusammenzukratzen. Der Inkassant murmelt einen Gruß. Angesehen hat er einen die ganze Zeit über nicht. Nachdem die Tür hinter ihm zugefallen ist, wirft man sich aufs Bett und hat Sorgen.
    Wenn man zum ersten Mal ein Inkassobüro am Hals gehabt hat, nimmt man sich vor, in Hinkunft alle Briefe zu öffnen, auch die Rechnungen.
     
    Ein Lotterleben ist angenehm, doch es muss finanziert werden. Seltsamerweise hat man Hemmungen, Tante Ernestine um Geld zu bitten. Sie würde sofort mehr hergeben. Aber man hat Gewissensnöte. Was sie einem freiwillig zusteckt, nimmt man. Sie um Geld anzubetteln hieße, sie zu verraten.
    –  Ich weiß, dass ihr mir viel gebt. Aber ich habe Probleme.
    –  Was ist mit dir los?, fragt Tante Kathi. Mehr Geld, immer mehr Geld! Wo führt das hin?
    Ungerührt verweist man auf die schurkischen Summen, die für Standardwerke der europäischen Kunstgeschichte, somit unverzichtbares Lernmaterial, verlangt werden.
    –  Dann musst du dir eben Arbeit besorgen.
    –  Ich hab schon etwas in Aussicht, murmelt man.
    –  In Aussicht. So. Und wann fängst du an?
    –  Jedenfalls muss ich mir heute ein Buch kaufen. Ohne dieses Buch kann ich zur nächsten Prüfung nicht antreten. Ich brauche das Geld jetzt. Bitte.
    Man bekommt einen Fünfhunderter. Dafür wird man gebeten, zum einen sich mit dem Seifensieder wieder auf gutenFuß zu stellen, zum anderen einen Packen Altpapier hinunterzutragen. Man küsst Tante Kathi auf die Wange.
    In Gedanken darüber versunken, wie lange der Fünfhunderter reichen wird, wirft man den Zeitungsstoß in den Container. Im letzten Augenblick, ehe man den Deckel hochschieben will, blitzen auf einem Umschlag Brüste auf. Man sieht genauer hin. Kein Zweifel: Der Packen enthielt eine Sexzeitung.
    Wenn man entdeckt, dass ein alter Verwandter in Pornoheften zu schmökern pflegt, ist man zugleich erheitert und peinlich berührt.
    Mit spitzen Fingern fischt man die Zeitschrift heraus, läuft nach Hause und erforscht seinen Fund. Das Magazin birgt nicht nur private Anzeigen schlüpfriger Natur, sondern ist überreichlich mit Abbildungen verschiedener Varianten des Geschlechtsakts ausgestattet. So ein Heft hat man schon mit fünfzehn durchgeblättert, wenn man bei Paul zu Besuch war. Eines zu kaufen, hat man sich nie getraut. Nun liegt da eines, und

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