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Wie man mit einem Lachs verreist

Wie man mit einem Lachs verreist

Titel: Wie man mit einem Lachs verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Menschen gerät. Infolgedessen ist er nervös und haßt jedes anthropomorphe Wesen. Weshalb die linke Schickeria gerne behauptet, alle Taxifahrer seien Faschisten. Das stimmt aber nicht, der Taxifahrer interessiert sich nicht für ideologische Fragen: Er haßt
    Gewerkschaftskundgebungen, aber nicht wegen ihrer
    politischen Farbe, sondern weil sie den Verkehr verstopfen. Er würde auch einen Umzug der Neofaschisten hassen. Er
    wünscht sich nur eine starke Regierung, die alle privaten Autofahrer an die Wand stellt und eine vernünftige
    Ausgangssperre von sechs Uhr morgens bis Mitternacht
    verhängt. Er ist frauenfeindlich, aber nur gegenüber Frauen, die ausgehen. Wenn sie zu Hause bleiben und Spaghetti kochen, erträgt er sie.
    Der italienische Taxifahrer zerfällt in drei Kategorien. In den, der solche Ansichten während der ganzen Fahrt zum besten gibt, in
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    den, der verbissen schweigt und seinen Menschenhaß nur
    durch seinen Fahrstil ausdrückt, und in den, der seine
    Anspannung in reine Erzählfreude auflöst und ununterbrochen erzählt, was ihm alles mit anderen Kunden widerfahren ist. Es handelt sich um Anekdoten ohne jede gleichnishafte
    Bedeutung, die, würden sie in einer Kneipe erzählt, den Wirt veranlassen müßten, den Erzähler mit dem Hinweis, es sei nun Zeit, ins Bett zu gehen, hinauszukomplimentieren. Aber der Taxifahrer hält sie für kurios und voller Überraschungen, und man tut gut daran, sie mit häufigen »Also nein, was für Leute es gibt! Na so was! Und das ist Ihnen wirklich passiert?« zu kommentieren. Solcherlei Anteilnahme erlöst zwar den
    Taxifahrer nicht von seinem narrativen Autismus, aber sie gibt einem ein besseres Gefühl.
    In New York bringt man sich als Italiener in Gefahr, wenn man, nachdem man auf dem Namensschild einen Namen wie De
    Cutugnatto, Esippositto oder Perquocco gelesen hat, seine eigene Herkunft enthüllt. Dann nämlich beginnt der Fahrer eine nie gehörte Sprache zu sprechen und ist sehr beleidigt, wenn man ihn nicht versteht. Man muß ihm sofort auf englisch sagen, man spreche nur die Mundart des eigenen Dorfes. Er ist
    sowieso überzeugt, daß die Nationalsprache bei uns
    inzwischen das Englische sei. Im allgemeinen haben jedoch die New Yorker Taxifahrer entweder einen jüdischen oder einen nichtjüdischen Namen. Die mit jüdischem Namen sind
    reaktionäre Zionisten, die mit nichtjüdischem reaktionäre Antisemiten. Sie äußern keine Meinung, sie verlangen ein Pronunciamento. Schwierig ist der Umgang mit denen, auf deren Schild man einen irgendwie nahöstlich oder russisch klingenden Namen liest, ohne zu wissen, ob es ein jüdischer ist oder nicht. Um Ärger zu vermeiden, sagt man besser, man habe sich's anders überlegt und wolle nicht mehr zur Ecke Siebte Avenue/Vierzigste Straße, sondern zur Charlton Street.
    Dann wird der Fahrer böse, hält an und nötigt Sie auszusteigen, denn New Yorker Taxifahrer kennen nur die Straßen mit
    Nummern und nicht die mit Namen.
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    Pariser Taxifahrer kennen dagegen überhaupt keine Straße.
    Wenn Sie von einem verlangen, er solle Sie zur Place Saint-Sulpice bringen, setzt er Sie am Odéon ab und sagt, von hier aus wisse er nicht weiter. Aber zuvor beklagt er sich lange mit vielen »Ah, ca Monsieur, alors ...« über ihren Wunsch. Auf die Anregung, er könne ja mal in seinem Stadtplan nachsehen, gibt er entweder keine Antwort, oder er gibt Ihnen zu verstehen, wenn Sie eine topographische Auskunft wünschten, müßten Sie sich an einen in Paläographie bewanderten Archivar der
    Sorbonne wenden. Eine besondere Kategorie sind die
    Orientalen: Mit äußerster Höflichkeit sagen sie Ihnen, Sie brauchten sich keine Sorgen zu machen, das werde man gleich gefunden haben, fahren dann dreimal den Ring der großen Boulevards ab und fragen Sie schließlich, was für einen Unterschied es denn mache, wenn Sie nun zur Gare du Nord statt zur Gare de l'Est gebracht worden seien, wo es doch in beiden Züge gebe.
    In New York kann man Taxis nicht telefonisch bestellen, außer man ist Mitglied in einem Club. In Paris kann man es. Nur daß sie dann nicht kommen. In Stockholm kann man sie nur
    telefonisch bestellen, denn dort trauen sie keinem Fremden, der am Straßenrand winkt. Doch um die Telefonnummer zu
    erfahren, muß man ein vorbeikommendes Taxi anhalten, und die, wie gesagt, trauen Ihnen nicht.
    Die deutschen Taxifahrer sind freundlich und korrekt, sie reden nicht, sie drücken nur aufs Gas. Wenn man am Ende aussteigt, weiß

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