Wie man mit einem Lachs verreist
gleiten lassen und die Ergebnisse jeweils in einem Notizbuch festhalten muß. Auf der anderen Seite versprechen die beneidenswerten japanischen Elektronikuhren, die sich mittlerweile ihrer einstigen leichten Benutzbarkeit schämen, heute mikroskopische Fenster, die
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Luftdruckmesser, Höhenmesser, Tiefenlot, Stoppuhr,
Countdown und Thermometer enthalten sowie, selbstredend, eine Datenbank, sämtliche Zeitzonen, acht Wecker, einen Währungsumrechner und ein akustisches Stundensignal.
All diese Uhren laufen Gefahr, wie die gesamte
Kommunikationsindustrie heute, nichts mehr zu
kommunizieren, weil sie zuviel sagen. Aber sie teilen auch noch ein anderes Merkmal der Kommunikationsindustrie: Sie
handeln von nichts anderem mehr als von sich selbst und ihrer Funktionsweise. Den Gipfel in dieser Hinsicht erreichen bestimmte Damenuhren mit kaum erkennbaren Zeigern, einem marmornen Ziffernblatt ohne Stunden- und Minutenanzeige und so gestaltet, daß man allenfalls sagen kann, daß es irgendwo zwischen Mittag und Mitternacht sein muß, vielleicht vorgestern.
Aber was soll's (suggeriert der Designer), was haben die Damen, für die diese Uhren bestimmt sind, anderes zu tun, als eine Maschine zu betrachten, die ihre eigene Vanitas darlegt?
(1988)
Wie man den Zoll passiert
Vorgestern nacht, nach einem amourösen Treffen mit einer meiner vielen Geliebten, habe ich meine Partnerin umgebracht, indem ich sie mit einem kostbaren Salzfäßchen von Cellini erschlug. Nicht nur infolge der strengen moralischen Erziehung, die ich seit früher Jugend genossen habe, nach welcher eine Frau, die sich der Sinnenlust ergibt, kein Mitleid verdient, sondern auch aus ästhetischen Gründen, nämlich um mir den Schauder des perfekten Verbrechens zu gönnen.
Danach habe ich gewartet, bis die Leiche kalt geworden und das Blut geronnen war, wobei ich mir eine CD mit Wassermusik aus der englischen Barockzeit anhörte, und habe dann
angefangen, den Körper mit einer elektrischen Säge zu
zerstückeln, nicht ohne einige anatomische Grundprinzipien zu beachten, aus Respekt vor der Kultur, ohne die es keine Freundlichkeit und keinen Gesellschaftsvertrag gäbe.
Schließlich habe ich die Teile in zwei Koffer aus
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Schnabeltierleder gepackt, mich in einen grauen Anzug
geworfen und den Nachtzug nach Paris genommen.
Nachdem ich dem Schlafwagenschaffner meinen Paß und eine wahrheitsgetreue Zollerklärung über die paar hunderttausend französische Francs, die ich bei mir trug, übergeben hatte*, sank ich in den Schlaf des Gerechten, denn nichts verschafft einem mehr Ruhe als das Gefühl einer getanen Pflicht. Auch der Zoll hat sich nicht erlaubt, einen Reisenden zu stören, der durch den Erwerb einer Fahrkarte erster Klasse ipso facto seine Zugehörigkeit zur herrschenden Schicht und mithin seine Erhabenheit über jeden Verdacht erklärt hat. Eine um so höher zu schätzende Situation, als ich, zur Vermeidung von
krisenhaften Entzugserscheinungen, eine bescheidene Dosis Morphium, acht- bis neunhundert Gramm Kokain und einen
echten Tizian bei mir hatte.
Ich will nicht davon sprechen, auf welche Weise ich mich in Paris der armseligen Reste entledigt habe. Das überlasse ich der Phantasie des Lesers. Man braucht bloß ins Centre
Pompidou zu gehen und die Koffer unter einer der Rolltreppen abzustellen, und jahrelang wird sie niemand bemerken. Oder sie in ein eigens dafür vorgesehenes Schließfach am Gare de Lyon zu stellen. Das Verfahren zur Öffnung der Schließfächer mittels eines Schlüsselwortes ist so kompliziert, daß Tausende von Päckchen dort liegen, ohne daß sie jemand zu kontrollieren wagt. Doch man könnte sich auch ganz einfach an ein
Tischchen im Café Deux Magots setzen und die Koffer vor der Librairie La Joie de Lire stehen lassen. In wenigen Minuten wären sie gestohlen und nur noch Sache des Diebes. Ich kann allerdings nicht leugnen, daß die Geschichte mich in einen Zustand der Spannung versetzt hatte, in jene Spannung,
welche die Durchführung einer künstlerisch komplexen und perfekten Operation stets begleitet.
Nach Italien zurückgekehrt, fühlte ich mich nervös und beschloß, mir einen Urlaub in Locarno zu gönnen. Aus einem unerklärlichen Schuldgefühl, in der ungreifbaren Angst, daß mich jemand erkennen könnte, beschloß ich, in der zweiten
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Klasse zu fahren, in Jeans und T-Shirt mit dem Krokodil auf der Brust.
An der Grenze wurde ich von eifrigen Zöllnern umringt, die mein Gepäck bis zu
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