Wie man mit einem Lachs verreist
wie die Wand, begreift man, warum sie anschließend zur Erholung nach Italien kommen, wo sie mit sechzig auf der Überholspur vor uns herfahren.
Läßt man jedoch einen Frankfurter Taxifahrer mit Porsche und einen aus Rio mit verbeultem VW um die Wette fahren, so kommt der aus Rio als erster an, auch weil er an den Ampeln nicht hält. Täte er es, würde ein anderer verbeulter VW neben ihm halten, besetzt mit Halbwüchsigen, die blitzschnell die Hand ausstrecken und Ihnen die Armbanduhr abnehmen.
Überall gibt es ein unfehlbares Mittel, einen Taxifahrer zu erkennen: Er ist immer derjenige, der nie herausgeben kann.
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(1988)
Wie man die Uhrzeit nicht weiß
Die Uhr, deren Beschreibung ich lese (eine Patek Philippe Kaliber 89) ist eine Taschenuhr mit doppeltem Gehäuse aus achtzehnkarätigem Gold und mit dreiunddreißig Funktionen.
Das Magazin, das sie vorstellt, nennt den Preis nicht, ich nehme an, aus Platzmangel (dabei würde es doch genügen, nur die Millionen anzugeben). Von einer tiefen Frustration erfaßt, bin ich hingegangen, um mir eine neue Casio für fünfundsiebzig Mark zu kaufen - wie einer, der sich im glühenden Wunsch nach einem Ferrari verzehrt, zur Abkühlung schließlich hingeht, um sich wenigstens einen Radiowecker zu kaufen. Im übrigen müßte ich, um eine Taschenuhr tragen zu können, mir auch eine zum Anzug passende Weste erstehen.
Allerdings könnte ich, habe ich mir gesagt, die Uhr ja auch auf den Tisch legen. Ich würde Stunden um Stunden damit
verbringen, den Tag des Monats und den der Woche zu
wissen, den Monat, das Jahr, das Jahrzehnt, das Jahrhundert, das nächste Schaltjahr, die Minuten und Sekunden der
Sommerzeit, die Stunde, die Minuten und Sekunden einer
anderen Zeitzone nach Wahl, die Temperatur, die Sternzeit, die Mondphasen, die Zeit des Sonnenaufgangs und -untergangs, die Zeitgleichung, die Stellung der Sonne im Tierkreis, zu schweigen von all dem anderen, womit ich mich vergnügen könnte, endlos erschauernd über der kompletten und
beweglichen Darstellung des Sternhimmels oder die Zeit
stoppend oder sie »raffend« in den verschiedenen
Sichtfenstern des Chronometers und der Stoppuhr, nach
vorheriger Festlegung mittels des eingebauten Weckers, wann ich damit aufhören will. Ich habe vergessen: ein spezielles Zeigerchen würde mir die Batterieladung anzeigen. Und noch etwas habe ich vergessen: Wenn ich wollte, könnte ich auch erfahren, wie spät es ist. Aber wozu?
Wenn ich dieses Wunderwerk besäße, wäre ich nicht daran interessiert zu wissen, daß es zehn nach zehn ist. Ich würde
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eher den Auf- und Untergang der Sonne belauern (und das könnte ich auch in einer Dunkelkammer tun), würde mich über die Temperatur informieren, würde Horoskope erstellen, würde tagsüber vor dem blauen Fenster den Sternen nachträumen, die ich nachts würde sehen können, aber die Nacht damit verbringen, über die viele Zeit nachzusinnen, die uns noch von Ostern trennt. Mit einer solchen Uhr braucht man nicht mehr auf die äußere Zeit zu achten, denn man müßte sich ja das ganze Leben lang mit der Uhr beschäftigen, und die Zeit, von der sie berichtet, würde sich aus einem reglosen Bild der Ewigkeit in eine tätige Ewigkeit verwandeln, oder aber die Zeit wäre nur eine märchenhafte Halluzination, erzeugt von diesem
magischen Spiegel.
Ich spreche von diesen Dingen, weil seit einiger Zeit Periodika im Umlauf sind, die sich ausschließlich mit kostbaren
Sammleruhren befassen, auf Hochglanzpapier gedruckt und ziemlich teuer, und ich frage mich, ob diese Zeitschriften nur von Lesern gekauft werden, die sie wie ein Märchenbuch
durchblättern, oder ob sie sich an eine reale Käuferschicht wenden, wie ich bisweilen fürchte. Denn das würde ja heißen: je mehr die mechanische Uhr, das Wunderwerk einer
jahrhundertealten Erfahrung, an praktischem Nutzen verliert, da sie durch elektronische Uhren für ein paar Mark ersetzt wird, desto heftiger regt und verbreitet sich der Wunsch nach Erwerb und Besitz, sei's zum Vorzeigen, sei's zum liebevollen
Betrachten oder als Geldanlage, von staunenswerten, perfekten Zeitmeßmaschinen.
Es liegt auf der Hand, daß diese Maschinen nicht dazu gedacht sind, einfach die Uhrzeit anzuzeigen. Das Übermaß an
Funktionen und deren elegante Verteilung auf zahlreiche, symmetrisch angeordnete Sichtfenster führt dazu, daß man, um zu wissen, daß es drei Uhr zwanzig am Freitag, dem 24. Mai, ist, die Augen lange über vielerlei Zeiger
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