Wie man mit einem Lachs verreist
anlegen, was wir kaufen sollen, wie glücklich wir sie machen, wenn wir ihnen einen Scheck schicken, wie vollständig wir uns verwirklichen, wenn wir an einem Kongreß teilnehmen, der unsere beruflichen Fähigkeiten verbessert. All diese Leute beeilen sich, sobald sie erfahren, daß einer ein Faxgerät hat (und leider gibt es dafür Verzeichnisse), ihm zu erträglichen Kosten unerbetene Botschaften ins Haus zu
schicken.
Das Ergebnis ist, daß man morgens zu seinem Faxgerät geht und es voller Nachrichten findet, die sich während der Nacht angesammelt haben. Natürlich wirft man sie weg, ohne sie zu lesen, aber wenn einem in der Nacht ein naher Vertrauter mitteilen wollte, daß man zehn Millionen vom Onkel in Amerika geerbt hat, sich aber bis spätestens acht Uhr früh bei einem Notar eingefunden haben muß, dann war der Anschluß besetzt gewesen, und er ist nicht durchgekommen. Er muß seine
Nachricht mit der Post schicken. Das Telefax ist dabei, zum Kanal für die irrelevanten Botschaften zu werden, so wie das Auto dabei ist, zum Verkehrsmittel für die langsame
Fortbewegung zu werden, für diejenigen, die viel Zeit haben und gern lange im Stau stehen, um Mozart oder Madonna zu hören.
Schließlich führt die Faxtechnik auch ein neues Element in die Dynamik der Belästigung ein. Bisher mußte der lästige
Bittsteller, wenn er uns belästigen wollte, die Sache selber bezahlen (den Anruf, das Porto, das Taxi, um herzukommen und an unserer Tür zu klingeln). Jetzt tragen auch wir zu den Kosten bei, denn das Faxpapier müssen wir bezahlen.
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Wie reagieren? Ich habe schon daran gedacht, mir Briefpapier mit dem Aufdruck »Unerbetenes Fax fliegt automatisch in den Papierkorb« machen zu lassen, aber ich fürchte, das genügt nicht. Wenn ich einen Rat geben darf: Man schalte sein
Faxgerät aus. Wenn jemand etwas Wichtiges faxen will, muß er vorher anrufen und darum bitten, es einzuschalten. Allerdings könnte das die Telefonleitungen verstopfen. Besser wäre es, wenn der Betreffende einen Brief schriebe. Dann antwortet man ihm: »Schick deine Nachricht per Fax am kommenden Montag um fünf Uhr, fünf Minuten und siebenundzwanzig Sekunden MEZ, wenn ich mein Gerät für lediglich vier Minuten und sechsunddreißig Sekunden anstellen werde.«
(1989)
Wie man auf bekannte Gesichter reagiert
Vor ein paar Monaten ging ich in New York spazieren, und auf einmal sah ich einen Typ auf mich zukommen, den ich gut kannte. Das Dumme war nur, daß ich mich nicht erinnern
konnte, wie er hieß und wo ich ihn kennengelernt hatte. Es ist dies eine jener Empfindungen, die man besonders dann hat, wenn man im Ausland jemanden trifft, den man zu Hause
kennengelernt hat, oder umgekehrt. Ein Gesicht am falschen Ort erzeugt Verwirrung. Und doch war mir jenes Gesicht so vertraut, daß ich sicher hätte stehenbleiben, grüßen und ein Gespräch anfangen müssen, und womöglich hätte der andere sofort gesagt: »Hallo, Umberto, wie geht's?« und vielleicht sogar: »Hast du gemacht, was ich dir gesagt habe?«, und ich hätte nicht gewußt, was ich antworten sollte. Tun, als ob ich ihn nicht sähe? Zu spät, er schaute noch auf die andere
Straßenseite, war aber gerade dabei, den Blick in meine Richtung zu drehen. Also konnte ich auch gleich die Initiative ergreifen, ihn begrüßen und dann versuchen, ihn an der
Stimme wiederzuerkennen, an den ersten Worten.
Wir waren nur noch zwei Schritte voneinander entfernt, ich setzte schon zu einem breiten, strahlenden Lächeln an und wollte gerade die Hand ausstrecken, da hatte ich ihn auf einmal
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erkannt. Es war Anthony Quinn. Natürlich war ich ihm noch nie zuvor im wirklichen Leben begegnet, ebensowenig wie er mir.
Im letzten Augenblick konnte ich mich gerade noch
zurückhalten und mit leerem Blick an ihm vorbeigehen.
Dann habe ich über den Zwischenfall nachgedacht und mir gesagt, daß er ganz normal war. Schon früher hatte ich in einem Restaurant einmal Charlton Heston entdeckt und den spontanen Drang empfunden, ihn zu begrüßen. Diese
Gesichter bevölkern unser Gedächtnis, wir haben mit ihnen viele Stunden vor einer Kinoleinwand oder einem
Fernsehbildschirm verbracht, sie sind uns vertraut geworden wie die unserer Verwandten, sogar noch mehr. Man kann ein Erforscher der Massenkommunikation sein, über die
Realitätseffekte disputieren, über die Vermischung von Realem und Imaginärem und über jene, die in dieser Vermischung definitiv zu Fall kommen, aber man ist gegen
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