Wie man mit einem Lachs verreist
das Syndrom nicht gefeit. Und es gibt noch Schlimmeres.
Ich habe Aussagen von Leuten gesammelt, die für eine
gewisse Zeit den Massenmedien ausgesetzt waren, insofern sie mit einer gewissen Häufigkeit im Fernsehen aufgetreten sind. Ich meine gar nicht nur die berühmten Showmaster, die jeder kennt, sondern Leute, die aufgrund ihrer beruflichen Arbeit an einigen Diskussionsrunden teilnehmen mußten, aber häufig genug, um wiedererkennbar zu sein. Sie klagen alle über die gleiche unangenehme Erfahrung. Gewöhnlich, wenn wir jemanden sehen, den wir nicht persönlich kennen, starren wir ihm nicht ins Gesicht, deuten nicht mit dem Finger auf ihn, um ihn unseren Gesprächspartnern zu zeigen, und reden nicht mit lauter Stimme über ihn, wenn er uns hören kann. Das wäre ein unhöfliches und ab einer bestimmten Grenze auch aggressives Benehmen. Dieselben Leute jedoch, die nicht mit dem Finger auf den Kunden einer Bar zeigen würden, bloß um einen
Freund darauf hinzuweisen, daß er eine modische Krawatte trägt, benehmen sich entschieden anders bei bekannten
Gesichtern.
Meine Versuchskaninchen versichern mir, daß vor einem
Zeitungskiosk, im Tabakladen oder während sie einen Zug
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besteigen, oder auch während sie im Restaurant auf die
Toilette gehen und dabei anderen Leuten begegnen, diese laut zueinander sagen: »Sieh mal, da ist tatsächlich der Soundso.«
»Bist du sicher, daß er es ist?« »Aber ja, das ist er wirklich!«
Wonach diese Leute ihr Gespräch liebenswürdig fortsetzen, während der Soundso sie hört, ohne daß sie sich etwas dabei denken, daß er sie hört, als ob er nicht existierte.
Sie sind verwirrt, wenn ein Protagonist der massenmedialen Bilderwelt auf einmal in ihr reales Leben eintritt, aber zugleich benehmen sie sich ihm gegenüber, wenn er als reale Person auftritt, als ob er noch zur imaginären Welt gehörte, als ob er auf einem Bildschirm oder als Foto in einer Illustrierten erschiene und sie in seiner Abwesenheit über ihn sprächen.
Es ist, als hätte ich Anthony Quinn beim Kragen genommen, in eine Telefonzelle gezerrt und einen Freund angerufen, um ihm zu sagen: »Hör mal, ich hab Anthony Quinn getroffen, ob du's glaubst oder nicht, er sieht ganz echt aus!« (und dann hätte ich ihn weggestoßen, um meiner Wege zu gehen).
Die Massenmedien haben mich erst überzeugt, das Imaginäre sei real, und nun überzeugen sie mich, das Reale sei imaginär, und je mehr Realität die Fernsehbilder uns zeigen, desto kinohafter wird die alltägliche Welt. Bis wir schließlich glauben, wie einige Philosophen es lehrten, wir seien allein auf der Welt und alles andere sei nur der Film, den Gott oder ein böser Geist uns vorgaukelte.
(1989)
Wie man einen Pornofilm erkennt
Ich weiß nicht, ob es Ihnen je widerfahren ist, einen Pornofilm zu sehen. Ich meine nicht einen Film, der erotische Szenen enthält, seien sie auch verletzend für das Schamgefühl vieler, wie zum Beispiel „Der letzte Tango in Paris“. Ich meine pornographische Filme, deren einziger Zweck es ist, das sexuelle Verlangen des Zuschauers zu stimulieren, von Anfang bis Ende und dergestalt, daß, während dieses Verlangen mit
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Bildern diverser und variabler Paarungen stimuliert wird, der Rest so gut wie nichts zählt.
Oft müssen die Gerichte entscheiden, ob ein Film rein
pornographisch ist oder einen künstlerischen Wert hat. Ich gehöre nicht zu denen, die meinen, daß der künstlerische Wert alles entschuldige, manchmal sind echte Kunstwerke
gefährlicher für den Glauben, die Sitten, die gängigen
Meinungen als Werke von minderem Wert. Des weiteren meine ich, daß Erwachsene das Recht haben, pornographisches
Material zu konsumieren, so sie es wünschen, zumindest in Ermangelung von Besserem. Aber ich gebe zu, daß manchmal vor Gericht entschieden werden muß, ob ein Film produziert worden ist, um bestimmte ästhetische Konzepte oder Ideale auszudrücken (sei's auch mit Szenen, die das allgemeine Schamgefühl verletzen), oder ob er zu dem einzigen Zweck gemacht worden ist, den Zuschauer scharfzumachen.
Nun gibt es tatsächlich ein Kriterium, das zu entscheiden erlaubt, ob ein Film pornographisch ist oder nicht, und es beruht auf der Berechnung der toten Zeiten. Ein großes Meisterwerk der gesamten Filmgeschichte, der Western „Stagecoach“ von John Ford, spielt die ganze Zeit über (außer zu Beginn, in kurzen Zwischenphasen und am Ende) in einer Postkutsche.
Aber ohne diese rasante
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