Wie man seine durchgeknallte Familie überlebt - Rick ; Bd.1
Glatze hochzog.
»Wie ungehobelt. Schrecklich. Ich werde mich bei Señora Mary über dich beschweren.«
Ich überlegte kurz, ob ich ihm einfach die Zunge rausstrecken sollte. Aber dann ließ ich es lieber bleiben. Ich wollte noch heute, am besten sofort, mit Pa, Mary und Wutz an diesen runden Tisch. Eine Beschwerde vom haarlosen Peruaner konnte ich nicht gebrauchen.
Also zeigte ich Señor Rribeyro hinter meinem Rücken den Mittelfinger und nickte ihm freundlich zu. »Entschuldigen Sie. Aber ich hab’s eilig.«
Der haarlose Peruaner grummelte sein Lieblingswort: »Mierda!«
(Seitdem Wutz mir verraten hat, was
mierda
bedeutet, weiß ich, dass der haarlose Peruaner immer nur so vornehm tut, aber das brauche ich dem ja nicht auf die Nase zu binden.)
Vor der Haustür schlüpfte ich in die Inliner und stellte dann fest, dass ich Trottel den Helm oben liegen gelassen hatte.
Skaten ohne Helm war strengstens verboten. Eigentlich auch ohne Knie-, Ellbogen- und Handschützer, doch das ließ Pa zur Not noch durchgehen. Aber ohne Helm auf Inlinern durch die Stadt würde bösen Ärger geben. Na ja, und ein stinkiger Pa war keine gute Voraussetzung für ein Gespräch an irgendwelchen Tischen.
»Mierda«, fluchte ich leise.
Okay, dann eben ohne Inliner.
Nicht okay, meine Schuhe waren oben in der Wohnung. Und auf Socken zum Maschsee rennen überließ ich lieber irgendwelchen durchgeknallten Irren.
Also doch wieder hoch.
Ich wühlte erst in meiner vorderen, dann in meiner hinteren Hosentasche und suchte anschließend die Steinfliesen vor der Haustür ab.
Kein Schlüssel.
Den musste ich ebenfalls oben liegen gelassen haben. Und jetzt fiel mir auch wieder ein, wo: auf dem Küchentresen neben Pas und Wutz’ Zetteln.
Mierda! Mierda! Mierda!
Ging es eigentlich noch hirnloser?!
Okay, die einzige Chance, die ich jetzt noch hatte, war der Ersatzschlüssel bei Mary. Bei der Gelegenheit konnte ich ihr dann auch gleich sagen, dass Wutz schon zurück war. Und dann musste ich so schnell wie möglich Pa und Wutz zusammentrommeln.
Warum war bloß alles so kompliziert?
Mit Chrissy war immer alles so einfach gewesen.
Ich stellte mir vor, wie er sich jetzt neben mich auf die Treppe hocken würde.
»Hey, düs doch einfach ohne Helm los«, flüsterte er mir zu. »Und wenn dich jemand erwischt, dann behauptest du einfach, ein paar Jugendliche hätten ihn dir unterwegs gestohlen.«
Ja, genauso würde Chrissy das machen, dachte ich und düste los.
Mary war nicht zu Hause. Ich fragte mich langsam wirklich, wie viel Pech man an einem einzigen Tag haben konnte.
Steigerungsfähig ist das ganz sicher nicht mehr, dachte ich.
Falsch gedacht!
Denn als ich mich gerade wieder auf den Rückweg machen wollte, öffnete sich das Fenster von Lotte Siegert, Marys Nachbarin und guter Freundin. Sie lehnte sich weit aus dem Fenster, sodass ich schon Angst hatte, sie würde wegen ihres gewaltigen Busens gleich vornüber auf dem Bordstein landen.
»Rick, Mary ist nicht zu Hause.«
»Das habe ich auch schon bemerkt«, erklärte ich bitter.
»Fährst du etwa ohne Helm?«, fügte sie in mahnendem Tonfall hinzu.
»Ähm … i-ich … na ja …«, druckste ich herum. »Ein paar Jugendliche haben ihn mir unterwegs geklaut.«
Frau Siegert schüttelte den schneeweißen kurzen Haarschopf. »So ein Unsinn. Wer soll dir das denn glauben?«
Ich hab’s ja gesagt, im Lügen bin ich eine Niete.
»Warte mal kurz, ich gebe dir den Helm von Jule mit«, sagte sie und war verschwunden, bevor ich auch nur protestieren konnte.
Jule ist Frau Siegerts sechsjährige Nichte. Ihre Lieblingsfarben sind Pink, Pink und noch mal Pink. Ohne ihn auchnur einmal vorher gesehen zu haben, wusste ich, welche Farbe Jules Helm haben würde.
Sekunden später thronte ein pinkfarbener Helm mit grünen Kleeblättern und dicken gelb-braun gestreiften Hummeln auf meinem Kopf.
»Und wehe, du nimmst ihn ab, wenn du um die Ecke verschwunden bist«, drohte Frau Siegert mit erhobenem Zeigefinger.
Ich schüttelte stumm den Kopf.
Darüber musste sie sich wirklich keine Sorgen machen. Frau Siegert hatte mir den viel zu kleinen Helm so fest auf den Kopf gedrückt, dass ich das Gefühl hatte, in einen Schraubstock geraten zu sein. Allein würde ich dieses Untier nie wieder von meinem Kopf bekommen, so viel war sicher.
Zu allem Überfluss hatte sie den Verschluss unter meinem Kinn dermaßen verschnürt, dass ich kurz vorm Ersticken war. Egal wie ich auch daran rumzerrte, ich konnte ihn einfach
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