Wie man seine durchgeknallte Familie überlebt - Rick ; Bd.1
nicht lockern.
»Nichts zu danken«, säuselte Frau Siegert zum Abschied und klopfte mir aufmunternd auf den Kopf. »Gib den Helm einfach Mary wieder mit.«
Nach Luft japsend, machte ich mich davon. Auf direktem Weg nach Hause. In der Hoffnung, vielleicht doch noch auf ein paar Jugendliche zu treffen, die mir den Helm klauen würden. Oder besser noch: unsichtbar zu werden, damit ich mich nicht mit diesem rosa Albtraum auf dem Kopf bis auf die Knochen blamieren musste.
Ich hatte das Gefühl, dass die halbe Stadt sich verabredet hatte, um genau in diesem Augenblick die Strecke zu mir nach Hause abzulaufen.
Immer wieder sah ich aus dem Augenwinkel, wie mir jemand überrascht den Kopf zuwandte, oder hörte ein unterdrücktes Kichern.
Als dann auch noch ein kleines Mädchen auf mich zeigte und rief: »Mama, so einen Helm will ich auch!«, wusste ich, dass es nicht mehr schlimmer werden konnte.
Endlich hatte ich unsere Haustür erreicht. Ich versuchte noch einmal, den blöden Helm aufzubekommen. Aber es war nichts zu machen.
Okay, dann muss ich das peinliche Ding eben irgendwie auf meinem Kopf verstecken, überlegte ich. Vielleicht ziehe ich mein T-Shirt aus und wickele es wie einen Turban um den Helm?
Aber diesen Gedanken verwarf ich gleich wieder. Ein T-Shirt-Turban auf dem Kopf war mindestens genauso peinlich wie ein rosafarbener Albtraum mit Hummeln.
Es half nichts.
Der Helm musste ab.
Auf der Stelle.
Dann eben mit Gewalt, dachte ich. Ich brauchte ein Messer. Oder noch besser: eine Schere.
Ich klingelte bei Müllers rechts unten und Schraders links daneben. Und schließlich sogar bei dem haarlosen Peruaner.
Verdammt! Wo waren die denn alle?
Als ich die acht Klingelknöpfe durchhatte, war ich bereit, mich meinem Schicksal zu ergeben und einfach vor der Tür zu warten, bis Pa und Wutz vom Joggen zurückkamen. Wenn ich den Kopf in einer bestimmten Position aufrecht hielt, dann klappte es sogar einigermaßen mit dem Atmen.
Die Zeit verstrich im Schneckentempo. Der Helm wurde immer enger und enger oder mein Kopf immer größer und größer. Von der Warterei wurde ich ganz kribbelig. Und am schlimmsten kribbelte es ausgerechnet auf meiner Kopfhaut.
Als ich glaubte, dass ich es keine Sekunde länger aushalten würde, sah ich plötzlich eine schmale Gestalt auf mich zukommen.
Eine dunkelhaarige, schlaksige Gestalt mit einem Buch unterm Arm.
Ich traute meinen Augen nicht.
Finn!
Was wollte die Mehlbirne denn hier? Ich hätte schwören können, dass er sich niemals wieder bei uns blicken lassen würde.
Und dann fiel mir noch etwas ein. Verdammte Vogelkacke, der Helm! Wenn dieser Oberbesserwisser mich damit sah, war ich geliefert.
Bestimmt hatte er ein Handy dabei und machte ein Foto von mir und dem pinken Hummelparadies auf meiner Birne. Und das würde er dann gleich am nächsten Morgen an die schwarze Litfaßsäule in der Tucholsky-Gesamtschulehängen, damit sich alle Welt über mich lustig machen konnte.
Na ja, so würde ich es jedenfalls an seiner Stelle machen.
Obwohl, so wie er drauf war, würde der glatt ein Buch darüber schreiben.
Aus dem peinlichen Leben des Rick Michalski!
Ich konnte schon die Bücherberge vor mir sehen, die sich in der nächsten Woche in jeder Buchhandlung stapeln würden.
Und auf jedem Exemplar mein verdattertes Gesicht, eingequetscht in den rosa Hummelhelm eines sechsjährigen Mädchens.
Ich musste hier weg. Sofort!
Mit einem Satz war ich auf den Beinen. Dummerweise hatte ich nicht daran gedacht, dass ich Inliner an den Füßen trug.
Ich schwankte ein bisschen nach links und noch ein bisschen mehr nach rechts. Dabei ruderte ich wild mit den Armen in der Luft herum.
Aber es nützte nichts. Im nächsten Moment krachte ich mit dem Kopf gegen die Hauswand.
Ein pinkfarbenes Hummelzuhause bewahrte mich vor schlimmen Schmerzen. Jules Helm war nicht einen Millimeter verrutscht. Wie auch. War ja quasi auf meinen Kopf betoniert.
»Rick? Bist du das?«, hörte ich Finns Stimme hinter mir.
»Arrrghhh«, grunzte ich, ohne mich umzudrehen.
Dann stieß ich mich von der Hauswand ab und ergriff die Flucht.
»Warte bitte, Rick. Ich habe ein Anliegen!«
Ein Anliegen? Klar doch, ein peinliches Buch über mich zu schreiben, dachte ich. Vergiss es. Nicht mit mir.
Ich düste die Straße hinunter, so schnell ich konnte. Die Kurven nahm ich nur auf einem Bein, um ja kein Tempo rauszunehmen.
Schon war ich mitten in der Stadt. Genau dort, wo ich mit Jules Hummeltraum auf dem Kopf auf
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