Wie man sie zum Schweigen bringt
hatte, trug sie ein weißes Nachthemd und einen rosa Bademantel, ihre feuchten Haare waren kraus und ihre Bäckchen rot. Auf einmal drängte es mich, bei ihr zu sein, sie an mich zu drücken, mich zu vergewissern, dass ihr nichts fehlte. Die Familie eines Kindes, das ebenfalls von Iidas Tagesmutter betreut wurde, erwartete ein Baby, und Iida hatte mich am Vorabend gefragt, wann sie ein Geschwisterchen bekäme. Ich hatte vergeblich versucht, das Thema zu wechseln. Iida wusste sich zu behaupten - ich hatte ihr ja selbst beigebracht, ihren Platz im Leben zu fordern. Sie hatte darauf bestanden, dass ich ihr ein Bilderbuch über Schwangerschaft und Geburt vorlas, und ich hatte wieder einmal überlegt, ob ich noch ein Kind wollte, ob ich es fertig brachte, noch einmal auf den Beruf zu verzichten, und sei es auch nur für zwei Jahre. Würde ich durch eine erneute Schwangerschaft nicht das Vertrauen derjenigen enttäuschen, die mich zur Dezernatsleiterin gewählt hatten?
Es war drei Uhr. Ich nahm Rahnastos Foto und steckte es in meine Aktentasche. Wenn ich abserviert wurde, weil ich gegen einen prominenten Vertreter der Stadtverwaltung ermittelte, würde ich mir eben einen anderen Job suchen. Zum ersten Mal erschien mir der Gedanke, den Arbeitsplatz zu wechseln, realistisch. Auf der Fahrt nach Kauklahti hielt ich bei einem Kiosk an und kaufte eine große Tüte Marshmallows. Ich war eine Polizistin mit der festen Absicht, die Kinder einer Zeugin zu bestechen.
Suvi Seppälä war von ihrem Kurs zurück und hatte auch Diana bereits abgeholt. In der Wohnung roch es nach angebratenem Hackfleisch und frisch gekochten Nudeln, Suvi war gerade dabei, Milch und Eier zu verrühren. Auf dem Küchentisch stand eine Nähmaschine, daneben lagen schwarzer Samt und weiße Kragenspitze. Offenbar nähte Suvi ihren Kindern Kleider für Markos Beerdigung, die am Samstag stattfinden sollte.
»Wird Markos Tod doch noch untersucht? «, fragte Suvi verbittert und schob den Nudelauflauf in den Ofen. »Ich dachte, ihr hättet ihn schon vergessen. Ihr seid doch zufrieden, dass ihn jemand umgelegt hat, das erspart euch die Kosten für den Prozess und fürs Gefängnis. Was willst du denn noch? «
Ich zeigte ihr Rahnastos Foto.
»Kommt dir dieser Mann bekannt vor? «
»Von dem gehen dreizehn aufs Dutzend. Solche Typen guck ich gar nicht an. Wer ist das? «
»Denk in aller Ruhe nach . «
»Mamaa, ich muss Kacka! «, rief die dreijährige Diana und kam angelaufen. Suvi knöpfte ihr die Latzhose auf und brachte sie auf den Topf. Janita half Tony bei den Hausaufgaben. Bald fingen die Sommerferien an. Wer würde die Kinder dann betreuen?
»Mein Bruder kümmert sich eine Woche lang um sie, dann ist mein Kurs zu Ende. Zum Glück hab ich die Kinder, sonst hätt ich mich schon längst aufgehängt. Aber Marko spricht jeden Tag mit mir, er sagt, ich soll gut für sie sorgen. Er hat versprochen, ihr Schutzengel zu sein«, sagte Suvi, setzte sich an die Nähmaschine und fädelte einen neuen Faden ein. Die Samtkleider waren fast fertig, sie befestigte eine Rüsche am Ärmel des kleineren Kleidchens, musste ihre Arbeit aber unterbrechen, um Diana abzuputzen.
»Mir ist noch was eingefallen«, sagte sie, als sie zurückkam. »Wegen dem Handy. Es hat mal geklingelt, ein paar Tage bevor Marko… Vor alldem. Marko war gerade mit Janita in der Waschküche, deshalb bin ich drangegangen. Der Anrufer war echt unfreundlich, nicht mal seinen Namen hat er genannt. Er hat gesagt, Marko soll anrufen, er wüsste schon, wen. Dem Kerl hat es wohl nicht gepasst, dass ich mich gemeldet hatte, er muss Marko ganz schön zur Sau gemacht haben. Jedenfalls hat Marko ihm geschworen, er würde das Handy nie mehr aus der Hand geben . «
»Was für eine Stimme hatte der Mann? «
»Eine unangenehme. Heiser und barsch. Der Kerl ist es gewöhnt zu befehlen, das ist mal klar . «
»Würdest du die Stimme wieder erkennen? «
»Vielleicht. Sorry, dass ich dir nicht früher davon erzählt hab, ich hab mich nicht an alles erinnert«, sagte Suvi und setzte die Nähmaschine in Gang.
»Gut, dass es dir wieder eingefallen ist. Sagt dir der Name Reijo Rahnasto etwas? «, rief ich über das Surren hinweg.
»Nee. Wer soll das sein? «
»Der Mann auf diesem Foto . «
»Ist der reich? «
»Soweit ich weiß, ja . «
»Hat der Marko umgebracht? «
Darauf konnte ich natürlich keine Antwort geben. Suvi hatte inzwischen die Rüschen angenäht, auch das zweite Kleid war im
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