Wie man sie zum Schweigen bringt
Gehaltserhöhung sprach natürlich niemand, das Wort war out. Dafür sollte nun auch bei der Polizei ein leistungsorientiertes Gehaltssystem eingeführt werden, was bedeutete, dass die Chefs ihre Untergebenen entsprechend einstufen mussten. Bisher war mir noch nicht klar geworden, welche Kriterien dafür ausschlaggebend sein sollten: die Anzahl der gefassten Kriminellen, persönliche Sympathie, Familiengröße oder allgemeine Begabung.
Eila Honkavuori hatte sich im Ausschuss leidenschaftlich für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt. Hatte ihr Mann sie daran hindern wollen, nach der Sitzung mit Petri über das Babyprojekt zu sprechen? Turo Honkavuori hatte seine Frau zu Tommi Laitinen gebracht, wo sie offenbar über Nacht geblieben war, um Tommi beizustehen. War er danach zum Treffen mit Marko Seppälä gefahren und hatte ihn erschossen? Er besaß keinen Waffenschein, doch das hatte heutzutage nicht viel zu bedeuten. Wenn man die richtigen Leute kannte, war es ein Kinderspiel, sich illegal eine Waffe zu besorgen.
Aber woher hätte ein schüchterner Wissenschaftler von der Technischen Hochschule solche Kontakte haben sollen?
Das Telefon klingelte, der Polizeireporter einer der beiden Boulevardzeitungen erkundigte sich nach neuen Erkenntnissen. Ich sagte, im Lauf des Nachmittags werde eine Pressemitteilung erscheinen, verweigerte aber jeden Kommentar auf seine Frage, ob die Espooer Freiluftmorde, wie er die beiden jüngsten Fälle nannte, miteinander in Verbindung standen. Der clevere Reporter hatte erfahren, dass die auf der Müllhalde gefundene Leiche einen Lederanzug trug, und daraus die richtigen Schlüsse gezogen.
Der ganze Tag war mit organisatorischen Aufgaben und Besprechungen angefüllt. Ich war direkt froh, als mir um Viertel nach drei Tommi Laitinen gemeldet wurde. Da ich plötzlich unwiderstehliche Lust auf Eiskrem verspürte, schlug ich ihm vor, in der Kantine etwas zu essen zu holen. Während Tommi sich mit Orangensaft begnügte, fand ich zu meinem Entzücken in der Kühltruhe ein Riesenhörnchen Lakritzeis, das ich während des Gesprächs schleckte. Ich stellte von Anfang an klar, dass es sich nicht um eine offizielle Vernehmung handelte, und berichtete, unser Hauptverdächtiger sei tot aufgefunden worden.
»Einer unserer Ermittlungsstränge ist weiterhin die Möglichkeit eines Raubüberfalls. Könnte es sein, dass Petri eine größere Geldsumme bei sich hatte als gewöhnlich? Hat er je eine Gürteltasche benutzt? «
»Nein, zum hundertsten Mal! Warum reitet ihr darauf herum? Petri ist doch nicht ausgeraubt worden . «
»Hat er jemals Rauschgift genommen? «
Tommi rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Nur Hasch, als er noch ganz jung war, bevor wir uns kennen gelernt haben. Er war Anfang der achtziger Jahre mal in Amsterdam. Damals war es für einen jungen Mann auf der Suche nach sich selbst praktisch ein Muss, die heißesten Schwulentreffs von Amsterdam zu besuchen und Pot zu rauchen . «
»Und du? «
»Ich nicht! Ich hatte nie das Bedürfnis nach solchen Trips. Mir hat ein normales Leben immer gereicht . «
Wieder zeigte ich ihm das Polizeifoto von Marko Seppälä und fragte ihn, ob er den Mann jemals gesehen habe.
»Nicht der Typ, auf den ich achten würde«, sagte er und lächelte beinahe.
»Er hat also Petri getötet, und jetzt ist er selbst umgebracht worden… Was geht da eigentlich vor? «
Tommi berichtete, Petri sei ihm in den letzten Tagen seines Lebens unruhig und geistesabwesend erschienen, habe aber nicht sagen wollen, was ihn beschäftigte.
»Er hat nur gemurmelt, die Sache würde sich bald klären. Ich habe wieder und wieder darüber nachgedacht. Gestern haben Eila und ich Petris persönliche Unterlagen durchgesehen, aber nichts gefunden. Die Papiere aus seinem Büro liegen noch bei euch, ich würde sie gern mitnehmen, wenn das möglich ist . «
»Alles zu seiner Zeit. Hör mal, Tommi, mit Geheimniskrämerei kannst du Petri nicht mehr helfen. Das Einzige, was jetzt noch hilft, ist die Wahrheit . «
»Es gibt keine andere Wahrheit! «, rief Tommi und vergrub das Gesicht in den Händen. Ich brachte es nicht über mich, ihn weiter zu quälen.
»In meine Träume hat es sich noch nicht geschlichen«, sagte er, schon an der Tür, »aber wenn ich wachliege, überlege ich, welche Schmerzen Petri gelitten hat. Hat er begriffen, dass er sterben muss? Hat er vor seinem Tod noch etwas gesagt? An wen hat er gedacht? Damit werde ich mich für den Rest meines
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