Wie redest du mit mir
gemeinsame Hobby, z. B. Reiten oder Kricket. Ansonsten hat man sich in aller Stille vollkommen auseinandergelebt. Man schläft auch nur mehr selten miteinander. Die Beziehung dämmert zwischen Trieb und Trott dahin. Alle Außenstehenden wären jedoch überrascht, wenn dieses Paar sich plötzlich trennen würde.
Dieses Beispiel, wie es aus jeder zweitklassigen Vorabendserie stammen könnte, ist wahrscheinlich ebenso häufig wie trivial. Eine Beziehung, die überwiegend nur mehr aus funktionaler Distanz besteht und von äußeren Umständen zusammengehalten wird, enthält in diesem schmerzstillenden Wattebausch viele verschüttete Gefühle, die nun auf ein »Funktionieren« hin nivelliert und abgestumpft werden. Trägheit in der Beziehung stellt sich ein. An »alten Wunden« wird nach Möglichkeit nicht mehr gerührt, auch wenn man sich tief im Innern um wichtige Erwartungen betrogen fühlt.
Nicht mehr die Liebe steht im Vordergrund der Beziehung, sondern eine Aufgabe: Die Erziehung der Kinder, der Hausbau, das Haustier, der Hausfreund/die Hausfreundin u. a. rücken in den Mittelpunkt des Lebens. Kinder können zu Ersatzpartnern werden, die für die unerfüllten Wünsche ihrer Eltern herhalten, viele andere, in der Partnerschaftsforschung beschriebene Symptome von Unzufriedenheit treten auf. Man hat sich gewöhnt aneinander, bis hin zu einer gewissen Gleichgültigkeit. Solange dieses System stabilbleibt, geht man nicht auseinander, kommt sich aber auch nicht mehr näher.
Kommen neue Konflikte hinzu – und die Wahrscheinlichkeit dazu ist groß – kann dieses eingespielte System der funktionalen Distanz auch zum Kippen kommen und aus dem Scheinfrieden des Nebeneinanders ein offenes Gegeneinander werden. Der Gebrauch von Zynismus dem Partner gegenüber ist dabei ein untrügliches Anzeichen (»Amüsierst du dich gut, mein Schatz? Ich sehe gerade, dass du in Gegenwart dieses Jünglings deine pubertäre Ausstrahlung wiedergewinnst …«).
1.3. Die zweite Konsequenz: Gegeneinander statt Füreinander oder »Dir werd’ ich’s zeigen!«
Aus einem gefühlsmäßig eingeschränkten Nebeneinander in funktionaler Distanz kann auch ein offenes oder verdecktes Gegeneinander im Zusammenleben werden. Manchmal tritt dieser bedauernswerte Zustand einer Beziehung nach schwerwiegenden ungelösten Konflikten auch sehr schnell und ohne Zwischenstadium ein. Es brauchen nur noch ein paar neue Probleme hinzuzukommen. Versöhnungen sind nicht mehr möglich, zu verletzend sind vorausgegangene Auseinandersetzungen verlaufen. Streitigkeiten münden sofort in einer negativen Eskalation, das heißt, auf Vorwürfe fallen Gegenvorwürfe, auf Drohungen erfolgen Gegendrohungen, die Partner schaukeln sich mit all den bereits beschriebenen Kommunikationsfehlern gegenseitig hoch. Jeder glaubt, sich anders gar nicht mehr behaupten zu können. Daraus wird ein automatisiertes »Schutz«verhalten nach bekannten Mottos wie »Was du kannst, kann ichschon lange!«, »Wie du mir, so ich dir!«, »Angriff ist die beste Verteidigung« oder »Du sollst mich kennenlernen!« (aber bloß nicht wirklich, sondern nur von der schlimmen Seite). Da jeder immer noch ein i-Tüpfelchen innerhalb seiner festgefahrenen Strategie drauflegt (z. B. noch mehr Vorwürfe, noch mehr Beleidigtsein, noch mehr Nörgeln), um sich endlich einmal durchzusetzen, handeln beide nach dem von Paul Watzlawick et al. (1969) beschriebenen Interaktionsmuster »mehr desselben«.
Es wird immer schwerer, sich aus diesen negativen Zirkeln zu lösen. Auseinandersetzungen enden oft mit Weglaufen oder gar Tätlichkeiten. Jeder glaubt Recht zu haben und übt Druck aus, um den Anderen zu ändern.
Aus Druck wird schließlich Strafe – Strafe für die erlittenen Verletzungen, die enttäuschten Erwartungen, die geplatzten Hoffnungen. Was jemals unter den Teppich gekehrt wurde, kommt jetzt garantiert zum Vorschein und wird sofort zum Vorwurf umgemünzt. Das »Strafen« des Partners hat viele Gesichter: Manche missachten nun absichtlich wichtige Bedürfnisse ihrer besseren Hälfte, äußern sich zynisch oder abfällig, lassen sie in wichtigen Momenten auch mal im Stich, oder gehen fremd. Die alte Sehnsucht und Liebe flackert nur noch selten auf und hat langfristig keine Chance mehr, weil das gegenseitige Bestrafen längst das gegenseitige Belohnen überwiegt. So wird aus Liebe Hass, aus Versöhnung Schuldzuweisung, aus Vertrauen Misstrauen – so eine Beziehung erledigt sich selbst, mit
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