Wie Rosenblätter im Wind: Mittsommerhochzeit (German Edition)
von Bord.
Zur selben Zeit stand Milla Rosenblad inmitten prachtvoll blühender Blumenrabatten vor Kina Slott, dem chinesischen Pavillon inmitten der idyllischen Parkanlage von Kronborg Slott, und wartete auf Mårten. Obwohl sie nun schon seit mehr als vier Monaten am schwedischen Königshof arbeitete, geriet sie beim Anblick des kleinen, im asiatischen Stil errichteten Lustschlösschens noch immer ins Schwärmen.
Die Fassade erstrahlte in einem leuchtenden Rosarot, goldene Ornamente umfassten die hohen Fenster und Türme, während das geschwungene Dach, das in seiner Form an einen asiatischen Tempel erinnerte, in einem zarten Grün schimmerte. Welches kleine Mädchen träumte nicht von einem Märchenschloss und dem dazugehörigen Märchenprinzen?
Und sie lebten glücklich und zufrieden bis in alle Ewigkeit
…
Milla schüttelte den Kopf. Sie war jetzt achtundzwanzig und damit längst aus dem Alter heraus, in dem man an solche Dinge glaubte. Sie wartete nicht mehr auf den Ritter in glänzender Rüstung, der mit seinem weißen Pferd kam, um sie zu sich in seine perfekte Welt zu holen, in der weder Sorgen noch enttäuschte Hoffnungen oder zerschlagene Träume existierten. Das Leben hatte sie gelehrt, dass ein solcher Ort nicht existierte – wenigstens nicht in der Welt, die sie kannte.
Reiß dich zusammen, rief sie sich selbst zur Ordnung. Worüber beschwerst du dich eigentlich?
Im Grunde gab es für sie wirklich kaum Anlass, sich zu beklagen. Leider war sie gezwungen gewesen, ihren großen Traum aufzugeben und ihre Stelle als Sängerin an der Stockholmer Oper aufzugeben, als sie von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Doch Millas kleine Eventagentur, die sie nach Jannas Geburt gegründet hatte, lief inzwischen recht gut. Damals hatte ihr, abgesehen von ihren beiden Schwestern, niemand zugetraut, dass sie es allein schaffen würde – nicht einmal ihre eigenen Eltern. Zwar konnte sie sich von den Einnahmen auch heute noch keine großen Sprünge erlauben, aber es reichte, um sie und Janna zu ernähren.
Bei dem Gedanken an ihre Tochter huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Janna war ihr Ein und Alles. Jede Minute, die sie von der Vierjährigen getrennt war, kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Es fiel ihr unendlich schwer, die Kleine immer wieder in die Obhut eines Kindermädchens geben zu müssen. Doch alles, was sie tat, machte sie nur für Janna. Zugleich fürchtete sie, einen großen Fehler zu begehen. Das Risiko, das am Ende alles aufflog und sie nicht nur ihren Job, sondern im schlimmsten Fall auch Janna verlor, war nicht gänzlich wegzuleugnen. Und dennoch! Wenn sie es jetzt nicht schaffte, würde sie ihren großen Traum niemals verwirklichen.
Schon seit Langem war es ihr großes Ziel, Schweden endlich den Rücken kehren und woanders noch einmal ganz neu anfangen zu können. Milla benutzte stets zwei Worte, um ihr Heimatland zu beschreiben: konservativ und altmodisch. Das beste Beispiel hierfür stellten ihre eigenen Eltern dar. Sie hatten sich einfach nicht vorstellen können, dass Milla als alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter in der Lage sein würde, ihr Leben zu meistern, und deshalb zu einer sehr drastischen Maßnahme gegriffen.
Doch darüber wollte sie jetzt lieber nicht nachdenken.
Allerdings war genau das einer der Gründe, warum sie Schweden unbedingt verlassen musste. Außerdem träumte sie davon, Janna die beste Ausbildung auf einer englischen Privatschule zu ermöglichen. Doch wenn sie im Ausland nicht wieder bei Null beginnen wollte, brauchte sie vor allem eines: positive Publicity für ihre kleine Eventagentur und ein solides finanzielles Polster, mit dem sie in der Lage war, mögliche Anfangsschwierigkeiten aufzufangen. Jetzt stand sie ganz dicht davor, das alles auf einen Schlag zu erreichen. Das Einzige, was sie dafür tun musste, war das Unmögliche möglich zu machen. Und um dieses Ziel zu erreichen, war sie bereit, einiges an Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen – sogar ein Treffen mit Mårten Nylund.
Drinnen, im gelben Saal des Chinaschlösschens, fand eine Spendengala statt, zu der die Kronprinzessin, die zugleich auch Herzogin von Västergötland war, geladen hatte. Und Milla zeichnete sich verantwortlich dafür, dass auch Mårten auf der Gästeliste stand.
Mårten.
Der Gedanke an ihn löste die unterschiedlichsten Gefühle in ihr aus: Enttäuschung darüber, wie es damals zwischen ihnen zu Ende gegangen war, und zu ihrer eigenen Überraschung auch einen Anflug von Sehnsucht.
Weitere Kostenlose Bücher