Wie Samt auf meiner Haut
zu
stolpern.«
»Wenn Sie
mich nicht praktisch ausgezogen hätten ...« Sie hielt mitten im Satz inne, als
sein durchdringender Blick sie traf. Wieder stieg ihr Röte in die Wangen, und
sie wandte die Augen ab. »Ich nehme an, daß ich hier schlafen soll.«
»Das Bett
ist frisch überzogen. Sie werden sehen, daß es sehr bequem ist.«
Als sie
sich zum Fenster umdrehte, flammte momentan Hoffnung in ihr auf.
»Vergessen
Sie es. Für den Fall, daß Sie auf dumme Gedanken kommen sollten, ist es
vernagelt. Und ich schlafe unten. Benehmen Sie sich, Lady Velvet, und Sie
werden bald wieder frei sein. Diese Unannehmlichkeit werden Sie höchstens ein
paar Tage ertragen müssen.«
Unannehmlichkeit,
dachte sie. Wenn es nur dabei bliebe. Trotzdem nickte sie ihm zu. »Wie Sie
wünschen ... Mylord.«
Verblüfft
zog er eine Braue hoch.
Sie hatte
nicht geschlafen, als der Junge ihn so tituliert hatte. Und sie würde nicht
einfach dasitzen und warten, daß er – wer immer er sein mochte – dem Herzog
eine Nachricht schickte. Und hoffen, daß Avery zahlen würde. Und zu riskieren,
ihren Hochzeitstermin zu verpassen, Windmere zu verlieren, ihre Familie und
ihre Zukunft zu ruinieren. Sie mußte eine Möglichkeit zur Flucht finden.
Velvet, die am liebsten ununterbrochen auf
und ab gelaufen wäre, hockte statt dessen auf der weichen Federmatratze des
Bettes, das sehr bequem hätte sein können – wenn sie Schlaf gefunden hätte.
So aber
kauerte sie in der Dunkelheit da, noch immer in ihrem hinderlichen Kleid,
dessen lästige Korsettstäbe ihr in die Rippen stachen, insgeheim heilfroh, daß
sie wenigstens ihre Krinoline los war.
Vor dem
Fenster hatten sich die Wolken verdichtet, rollende, unten flache
Gewitterwolken, deren Konturen von lernen Blitzen erhellt wurden.
Es war
keine Nacht, die sie sich zur Flucht ausgesucht hatte, aber mit jeder Stunde,
die sie hier länger blieb, verschlimmerte sich ihre Situation. Sie hatte keine
Ahnung, wo sie sich befand, war jedoch sicher, früher oder später auf ein Dorf
oder einen Weiler oder auch nur auf ein Haus zu stoßen, wo man ihr helfen
würde.
Aber zuerst
mußte sie von hier fortkommen.
Wie lange
wartete sie jetzt schon? War ihr Entführer inzwischen eingeschlafen? Da er die
Tür versperrt hatte, blieb als einzige Fluchtmöglichkeit das zugenagelte
Fenster.
Ganz
vorsichtig, damit die Holzbretter des Bettes nicht knarrten, schwang sie die
Beine auf den Boden und stand langsam
auf. Ihr Herz schlug schneller, als der entscheidende Moment gekommen war. Sie
griff nach den Laken, die sie auf Seillänge zusammengeknüpft hatte, und ging
auf Zehenspitzen durch die Kammer. An der Kommode blieb sie stehen und faßte
nach ihrem provisorischen Hammer – einer Haarbürste aus Silber, die sie mit
einem hübschen, ebenfalls silbernen Kamm hier vorgefunden hatte.
Sie warf
einen Blick zum Himmel, in der Hoffnung, mit ihrem verzagten Gebet Erhörung zu
finden. »Lieber Gott, da ich in diesen Dingen nicht sehr begabt bin, hoffe ich
auf deine Hilfe.«
Sie mußte
Gehör gefunden haben, denn als sie das Leinenzeug gegen die Scheibe drückte
und mit dem Bürstenrücken vorsichtig darauf einschlug, brach das Glas
feinsäuberlich aus dem Rahmen, und nur ein einziges kleines Stück splitterte
ab.
»Danke.«
Ihre Hände zitterten stark, doch zwang sie sich zu ruhigen Bewegungen, als sie
die beiden Stücke vom Fensterbrett sammelte, langsam die Größe der Öffnung
erweiterte, um dann die hölzernen Streben zwischen den kleinen Scheiben
herauszubrechen und die letzten gezackten Glasreste zu entfernen. Es dauerte
länger als geplant. Bis sie den Rest des zerbrochenen Fensters vom Glas befreit
und das Laken am Bein des schweren Tisches festgebunden hatte, hatte es leicht
zu regnen angefangen.
Damit Laken
und Tisch ihr Gewicht aushielten, sandte sie wieder ein Stoßgebet zum Himmel,
zwängte sich durch die Fensteröffnung und ließ sich Hand über Hand bis zum Boden
hinunter. Ihr Fuß landete in einer Schlammpfütze, und sie schnappte nach Luft,
als das eisige Wasser in ihren Schuh eindrang und ihren weißen Seidenstrumpf
durchweichte.
Einen wenig
damenhaften Fluch auf den Lippen, sah sich Velvet um, da es jetzt zu
entscheiden galt, welche Richtung sie einschlagen sollte. Nichts kam ihr
vertraut vor. Sie wünschte, sie hätte bei ihrer Ankunft genauer Umschau
gehalten. Nun, das ließ sich jetzt nicht mehr ändern.
Velvet hob
ihre rasch feucht werdenden Röcke und lief auf den Wald zu.
Jason zwinkerte
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