Wie Samt auf meiner Haut
verrammeln«, sagte er, und setzte sich, um die
Stiefel auszuziehen. Velvet drehte sich um und überhörte geflissentlich das
Stoffgeraschel, das andeutete, daß er sich seiner Hose entledigt hatte. »Dann
wird uns vielleicht ein wenig Schlaf vergönnt sein.«
Velvet
sagte nichts darauf. In Gedanken war sie noch immer bei dem Anblick, den sein
harter, männlicher Torso geboten hatte. Sie stellte sich vor, wie es sein
mochte, einen Körper wie seinen zu berühren, fragte sich, ob sein gelocktes
braunes Brusthaar so weich und seidig war, wie es aussah.
Wieder
hörte sie Rascheln, als er trockene Sachen anzog, hörte seine Schritte auf der
Treppe, dann Gehämmer auf Holz, als er das Fenster sicherte, das sie
aufgebrochen hatte. Das also war ihre raffinierte Flucht gewesen. Schuldbewußt
war sie nicht, doch sie konnte das Bild nicht verdrängen, wie er sie im Wald
beschützt hatte, die Sorge, die sie in seiner Miene gelesen hatte.
Wer ist er?
fragte sie sich.
Warum hatte
ihn der Stallbursche als Lord angesprochen? Wichtiger noch, wie sollte sie ihm
nun entkommen, da ihr erster Versuch fehlgeschlagen war?
4
Jason leerte den letzten schweren Eimer
mit heißem Wasser in den hölzernen Zuber, der vor dem Feuer stand. Da er in den
Tropen fast jeden Tag geschwommen war, war das tägliche Bad für ihn im Laufe
der Jahre zu einem zwingenden Bedürfnis geworden. Er selbst hatte sich an
diesem Morgen im Freien mit eisigem Wasser begnügt und nahm an, daß das Mädchen
nach dem im Schlamm geendeten Fluchtversuch der Nacht ein Bad schätzen würde.
Insgeheim
war er außerdem neugierig, wie sie wirklich aussah. Bei der ersten Begegnung
war sie ihm sehr reizvoll erschienen, obwohl die verdammte Augenklappe seine
Sicht beeinträchtigt hatte. Aber wie wirkte sie, wenn der graue Puder aus
ihrem Haar gespült war und ihr hübsches Gesicht sauber geschrubbt, anstatt
schmutzverschmiert?
Er wußte,
daß es gefährlich war. Seine Willenskraft hatte ihre Grenzen, und die Dame
hatte sie schon sehr beansprucht. Gestern hatte er sie begehrt, obwohl sie
schmutzig gewesen war und völlig verwahrlost ausgesehen hatte. Dennoch hatte
er danach gelechzt, im Schein des Feuers ihre glatte Haut zu liebkosen, ihre
vollen Brüste zu entblößen und zu umfassen.
Er
verspürte Übelkeit, wenn er sich vorstellte, daß sein Bruder sie berührt, sie
geküßt hätte, sie in Besitz genommen hätte. Die Vorstellung ließ ihn mit den
Zähnen knirschen, doch da
hörte er auch schon, daß die Tür am oberen Treppenabsatz geöffnet wurde.
Sie steckte
den Kopf heraus und betrachtete ihn kurz, ehe sie sagte: »Guten Morgen,
Mylord.«
»Guten
Morgen. Sicher haben Sie gut geschlafen.«
»So gut,
wie nur möglich ... in Anbetracht der Umstände.«
Jason
ignorierte einen Anflug von Schuldbewußtsein. »Ich habe Ihnen saubere Kleider
gebracht und dachte mir, Sie würden vielleicht ein Bad nehmen wollen, ehe Sie
sich anziehen.« Der junge Bennie hatte ein paar Sachen besorgt, da der Koffer
der Dame zu schwer für Jasons Pferd gewesen war, ein Umstand, den Litchfield
und er übersehen hatten, als sie die Entführung planten. Zum Glück war die
Schwester des Jungen von ähnlich zierlicher Statur wie die junge Dame. Jason
hatte für einen schlichten braunen Rock aus Wollstoff, eine weiße Bauernbluse
und ein Unterkleid sowie für ein Nachthemd ein hübsches Sümmchen gezahlt.
»Sagten
Sie, ein Bad?« Ihr Blick fiel auf den Zuber, und ihre Miene erhellte sich mit
einem Lächeln, das ihr Gesicht verwandelte. »Ja, ich würde gern baden.«
Auch Jason
lächelte. Er hatte befürchtet, sie würde die Meinung vieler Engländer teilen,
die glaubten, ein Bad mache krank. Offenbar scheute sie das Risiko nicht.
»Haben Sie
Hunger?« Er versuchte, den Blick von der nackten Haut loszureißen, die die
Decke freigab, und statt dessen die zerzauste Haarflut anzusehen, doch das Bild
heller Haut blieb ihm unverrückbar vor Augen.
»Ich sterbe
vor Hunger. Die Entführung hat meinen Appetit offenbar nicht beeinträchtigt.«
»Auf dem
Tisch stehen Käse, Brot und eine Kanne Tee. Ich warte draußen, bis Sie fertig
sind.«
Velvet
sagte nichts. Sie blieb auf der Treppe stehen, bis er hinausgegangen war und
die Tür fest hinter sich geschlossen hatte. Dann entschlüpfte ihr ein
erschöpfter Seufzer. Ihr Körper schmerzte von den Abenteuern der letzten Nacht.
Sie hatte nur wenig geschlafen und sich lange im Bett gewälzt, ehe sie endlich
tiefen und betäubenden Schlaf gefunden hatte.
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