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Wie Samt auf meiner Haut

Wie Samt auf meiner Haut

Titel: Wie Samt auf meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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Bruders. Es sieht aus, als
trachtete Avery uns beiden nach dem Leben.«
    Velvet
schwieg entsetzt. Als ein eisiger Schauer sie überlief, drückte sie ihr Gesicht
tiefer an Jasons Schulter und schmiegte sich fester an ihn. Diesmal aber
vermochte auch seine beruhigende Nähe nicht, ihr ein Gefühl von Geborgenheit
zu vermitteln.

22
    Der Tag von Sir Wallaces Beerdigung
dämmerte windig und kalt herauf. Flache graue Wolken hingen tief über dem
kleinen Familienfriedhof auf der Anhöhe hinter Stanton Manor.
    Die Andacht
selbst war kurz, eine Gedächtnisfeier in der nahegelegenen Pfarrkirche, und
nicht die von Pomp und Gepränge geprägte Feierlichkeit in einer
blumengeschmückten Londoner Kathedrale, die ihr Vater sich gewünscht hätte.
Aber Mary glaubte, daß Sir Wallace ihr in diesem Punkt verzeihen würde. Sie
war nicht imstande, den vielen Menschen gegenüberzutreten, die sich zur
Teilnahme verpflichtet fühlen würden, weil seine Tochter mit einem Herzog
vermählt war.
    Während sie
am offenen Grab wartete, daß der prunkvolle silbern beschlagene Sarg ihres
Vaters in die Erde gesenkt wurde, empfand sie Abscheu vor Avery, der mit
sorgfältig einstudierter Trauermiene und einem schwarzen Flor am Ärmel neben
ihr stand. Ein Gefühl, so intensiv, daß es einen bitteren Geschmack in ihrem
Mund hinterließ.
    Der Duke of
Carlyle empfand kein Mitgefühl. Und schon gar keine Reue. Avery hatte es getan
– das wußte sie im Innersten ihres Herzens. Der Duke of Carlyle, der bei der
Verfolgung seiner Ziele mit aller Härte und Skrupellosigkeit vorging, hatte
ihren Vater ermordet.
    Während sie
wie erstarrt neben ihm stand, wünschte Mary sich inbrünstig, sie wäre als Sohn ihres
Vaters zur Welt gekommen und nicht als schwache, willenlose Frau, als die sie
sich in diesem Moment fühlte. Sie wünschte, sie hätte den Mut besessen, Avery
ein Messer in sein erbarmungsloses, schwarzes Herz zu stoßen.
    Endlich war
die Beerdigung vorüber, und Avery faßte nach ihrem Arm.
»Komm, meine Liebe«, sagte er mit seinem geheuchelten Mitgefühl, das ihr
abgrundtief widerwärtig war. »Höchste Zeit, daß wir die Trauer hinter uns
lassen und nach London fahren.«
    Ihr Magen
krampfte sich zusammen, Übelkeit drohte sie zu überwältigen. »Ich ... ich hatte
eigentlich die Absicht, noch zu bleiben, Durchlaucht, zumindest eine Zeitlang.«
    Avery
schüttelte seinen Kopf mit der Silberperücke und schob die dicken, gerollten
Locken hinter die Ohren. »Unsinn, meine Liebe. Es wird Zeit, daß du mit mir
zurückkehrst. Als Herzogin hast du gewisse Pflichten, und eine davon ist es,
mir einen Erben zu schenken. Wir müssen dafür sorgen, daß du in andere Umstände
kommst.«
    Mary wäre
fast in Ohnmacht gefallen, aber Averys Griff wurde fester, und der
Schwächeanfall ging vorüber. »Verzeihung, Mylord. Die Trauer um meinen Vater
ist überwältigend. Wären Sie eventuell gewillt, mich hier auf dem Land
zurückzulassen, bis ich mich ein wenig erholt habe?«
    Er schürzte
mißbilligend die Lippen. »Du wirst mit deinem Mann nach Hause zurückkehren.
Damit ist das Thema für mich erledigt.« Avery wandte sich von ihr ab und trat
zu einem von Sir Wallaces engsten Freunden, um ihn in ein Gespräch über die
profitablen Investitionen zu verwickeln, zu denen der Mann ihrem Vater im Laufe
der Jahre geraten hatte.
    Mary, die
die beiden eine Weile beobachtete, konnte dem Freund ihres Vaters ansehen, wie
groß sein Widerwille gegen den Herzog war. Schließlich drehte sie sich um und
ging steifbeinig zurück zum Haus. Avery würde nachmittags aufbrechen, und sie
würde mit ihm fahren. Das war der Preis, den sie bezahlen mußte, weil sie nicht
auf Christian hören wollte.
    Sie fragte
sich, wo der Earl of Balfour sein mochte, fragte sich auch, ob er sich
wenigstens ein wenig Sorgen um sie machte. Seine hochgewachsene, blendende
Erscheinung stand ihr so deutlich vor Augen, als sähe sie ihn tatsächlich vor
sich. Als ihr die Tränen kamen, wußte sie, daß es nicht Trauer um ihren Vater
war, die ihre Augen überfließen ließ.
    Jason beugte sich über die Skizze, die
Lucien von seinem an den Docks von London gelegenen Lagerschuppen angefertigt
hatte, jenen Ort, den sie als Treffpunkt für ihre Begegnung mit Avery gewählt
hatten.
    »Hier
hinten liegt ein kleiner Raum, den Avery nicht sehen kann.« Litchfield deutete
auf die Stelle in der Planskizze. »Dort wird unser Vertrauensmann Posten
beziehen und durch eine kleine Fensteröffnung alles sehen und hören

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