Wie Samt auf meiner Haut
der mit erhobenen
Fäusten auf sie zustürmen wollte, kam zwei Schritt weit. Dann drehte er sich
abrupt um und ergriff wüst fluchend die Flucht.
Sekundenlang
blieb Velvet verblüfft stehen, das rostige Eisenstück umklammernd, vor Angst
zitternd. Sie brauchte einen Augenblick, bis sie hinter sich ausgreifende
Schritte vernahm, die rasch näherkamen. Als sie gleich darauf erkannte, wessen
Schritte es waren, drehte sie sich mit einem überwältigenden Gefühl der
Erleichterung um.
»Jason!«
Neben ihm lief der Kutscher, in der Hand eine der Wagenlaternen, deren Licht
auf Jasons grimmige Miene fiel. Jason rannte in Verfolgung des Angreifers an
ihr vorbei, blieb in einiger Entfernung stehen und versuchte in dem dichten,
treibenden Nebel etwas zu erkennen. Der Verbrecher war wie vom Erdboden
verschluckt. Jetzt drehte sich Jason um, kam auf sie zu und blieb vor ihr
stehen.
Im Schein
der Laterne kniete der Kutscher an der Seite Mr. Ludingtons nieder, und Velvet
hörte den Bewußtlosen aufstöhnen.
»Wie geht
es ihm?« rief Jason dem Kutscher zu, ohne den Blick von Velvet zu wenden.
»Einigermaßen,
Euer Lordschaft. Nur ein paar Beulen und blaue Flecken. Ich helfe ihm zurück
zur Kutsche von Mylady.«
Jason
nickte nur. Stumm griff er nach dem schweren Eisenstück, das Velvet noch immer
umklammert hielt, um es ihren steifen, verkrampften Fingern zu entwinden. Er
sah sie voller Sorge an. »Ist alles in Ordnung?«
Sie nickte
nur, nicht imstande, auch nur ein Wort herauszubringen.
»Um Himmels
willen, was hast du hier zu suchen?« Noch immer konnte Velvet nicht antworten.
»Verdammt,
es hätte dich das Leben kosten können! Wie konntest du nur etwas so Törichtes
tun?«
Tränen
stiegen ihr in die Augen. Sie blieb noch immer stumm.
»O Gott,
Velvet ...« Jason berührte ihre Wange, und sie spürte, daß seine Hand zitterte.
»Was soll ich nur mit dir machen?«
Halte
mich fest, lag ihr
auf der Zunge. Bitte, Jason, ich habe so große Angst. Würdest du mich wohl
festhalten?
Sie sprach
die Worte nicht aus. Es war auch nicht nötig. Mit einem leisen Aufstöhnen nahm
Jason sie fest in die Arme. »Wie konntest du nur so unvorsichtig sein und dich
in so große Gefahr begeben?«
Sie hielt
ihre Tränen zurück und holte bebend Luft. »Mir blieb keine Zeit, auf dich zu
warten. Ich hoffte, der Briefschreiber würde etwas wissen, was dir helfen
könnte. Ich mußte das Risiko eingehen.«
»Du kleines
Dummchen«, sagte er, doch lag keine Barschheit in seinen Worten, sondern eine
Mischung aus Angst und etwas anderem, das sie nicht benennen konnte. Er hielt
sie ein paar Augenblicke fest, wobei sein Herz fast so heftig schlug wie ihr
eigenes, dann ließ er sie los, und gemeinsam gingen sie zurück zu seinem Wagen.
Vor dem
Wagenschlag blieb sie stehen. »Vermutlich hat Großvater nicht vergessen, es dir
auszurichten.«
Er faßte
sie so heftig an ihren Schultern, daß sie zusammenzuckte. »Und wenn er es
vergessen hätte, Velvet? Oder wenn ich ein paar Augenblicke später gekommen
wäre? Ist dir klar, daß du dann vermutlich tot wärest?« Als der Mond hinter
einer Wolke hervorglitt, wirkte Jasons Gesicht im fahlen Licht bleich und
erschöpft.
Seine Worte
brachten die häßliche Szene zurück, und Velvet fing
wieder zu zittern an. Ihre Beine gaben nach, und sie griff nach seinem Arm, um
nicht umzufallen.
Mit einer
knurrenden Verwünschung drückte er sie an seine Brust. »Ach Gott, Velvet.« Er
hob sie ins Wageninnere, setzte sie auf seinen Schoß und hielt sie auf der
ganzen Heimfahrt schützend an sich gedrückt.
Velvet
spürte die Spannung, die in ihm tobte, die Reste von Wut und Angst, die er zu
bezwingen versuchte.
»Ich nehme
an, es handelte sich um eine Falle«, sagte sie schließlich und brach damit das
Schweigen.
Sein Griff
um sie festigte sich fast unmerklich. »Das nehme ich auch an. Aber ich bin noch
immer nicht sicher, ob sie dir oder mir galt.«
Velvet
drehte sich um und sah ihn an. »Der große Mann war Celias Mörder, also hatte er
es auf mich abgesehen.«
Jason
schüttelte den Kopf. »Der Brief war an mich gerichtet. Hätte dein Großvater
sich rechtzeitig erinnert und ihn mir gegeben, wäre ich an deiner Stelle zum
Treffpunkt gegangen. Die Nachricht muß von meinem Bruder stammen. Vermutlich
entdeckte er, daß ich noch lebe, und wollte mich in eine Falle locken.«
»Aber ich
bin sicher, daß es der Mann war, der Lady Brookhurst tötete.«
»Das kann
gut sein. Zweifellos ist er der Handlanger meines
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