Wie Samt auf meiner Haut
und hinderte sie somit an jeder Bewegung.
Von seinem Haaransatz ausgehend, lief eine breite Blutspur über die Stirn. So
verzweifelt sie sich wünschte, ihr Fluchtversuch wäre gelungen, so sehr meldete
sich ihr Gewissen, als sie sah, wie arg sie ihn verletzt hatte.
»Wohin,
Mylady?«
Seine
zornige Miene erfüllte sie mit Todesangst. Du lieber Gott, womöglich würde er
sie jetzt umbringen. Sie biß sich auf die bebenden Lippen. »Es tut mir leid,
aber ich muß fort.«
Um seinen
Mund legte sich ein harter Zug. »Tut mir leid, Sie enttäuschen zu
müssen.«
Ihre Angst
wuchs. Eisige Schauer liefen ihr über den Rücken und drangen wie kalter Stahl
in ihr Inneres. Während sie ihn wie gebannt anstarrte, fiel ihr auf, daß es nun
nicht nur ein blaues Auge war, das sie drohend ansah, sondern deren zwei.
»Herrje«,
flüsterte sie und versteinerte. »Wer sind Sie?« Ganz gewiß nicht der einäugige
Jack Kincaid.
Seine Miene
verschloß sich noch mehr. »Ihr böser Geist, Mylady. Ein Mann, der Ihre
Willenskraft nicht noch einmal unterschätzen wird.« Mit einem gellenden Pfiff
brachte er das Pferd an seine Seite. Während er ihren Arm mit stählernem Griff
festhielt und sie mit sich zog, führte er das Tier zurück in den Stall. Dort
riß er die Satteldecke herunter und befreite das Pferd von seinem
provisorischen Zügel, dann zerrte er Velvet zurück ins Haus, ohne seinen Griff
zu lockern.
Sie bemühte
sich, keinen Klagelaut von sich zu geben, doch der Schmerz und das Gefühl des
Versagens bewirkten, daß sie tränenüberströmt vor der Haustür anlangte.
Als der
Räuber ihre Tränen bemerkte, knurrte er einen Fluch und ließ sie los. »Hinein
mit Ihnen«, befahl er barsch.
Sie tat,
wie ihr geheißen, und machte ein paar vorsichtige Schritte außerhalb seiner Reichweite.
Seine Augen
schienen sie zu durchdringen, als er Velvet wütend anfuhr. »Sie gottverdammtes
Weibsstück! Begreifen Sie denn nicht? Ich werde Sie gehen lassen, wenn die Zeit
gekommen ist, nicht eher. Machen Sie es nicht noch schwerer, und fügen Sie
sich in Ihr Schicksal. Sie werden erst wieder frei sein, wenn es mir beliebt.«
Schniefend
wischte sie sich die nassen Wangen trocken und senkte den Kopf.
»Verdammt!«
Damit marschierte er hinaus und knallte die Tür so fest zu, daß die
rauchgeschwärzten Deckenbalken beleidigt ächzten. Durch das Fenster sah sie,
daß er zum Wassertrog ging. Er hielt den Kopf ins Wasser und schüttelte dann
das Naß aus seinem dunklen Haar wie ein Hund nach einem Bad. Rote Rinnsale
liefen ihm über die Wange, und wieder regte sich ihr schlechtes Gewissen.
O Gott,
noch nie hatte sie einem Menschen etwas angetan. Sie haßte sich dafür, und das
mit gutem Grund, wie sie sich eingestehen mußte. Sie wich ein paar Schritte
zurück, als er wieder eintrat. Er machte aber keine Anstalten, sich ihr zu
nähern. Er ließ sich aufs Sofa sinken, schloß die Augen und lehnte den Kopf an
die Rückenlehne.
Velvet, die
ihn wachsam beäugte, bemerkte eine Beule an seiner Schläfe, Grund für neue
Seelenqualen. Sie ging ein Stück näher.
»Ich wollte
Ihnen nichts antun«, sagte sie leise.
Zwei blaue
Augen öffneten sich, und sie spürte ihren Blick so intensiv wie eine Berührung.
»Sie sind eine Frau. Ich hätte es besser wissen müssen und Ihnen nicht trauen
dürfen.«
Velvet
seufzte. »Wenn Sie mir die Wahrheit sagen, mir endlich sagen, um was es hier
geht, könnte ich Ihnen vielleicht sogar helfen. Ich glaube nicht, daß Sie
wirklich Jack Kincaid sind. Ich bin auch nicht sicher, ob Sie tatsächlich
hinter dem Lösegeld her sind. Bitte ... wenn Sie nur ...«
»Lady, wenn
Sie still wären, würden meine Kopfschmerzen vielleicht nachlassen.«
Velvet biß
die Lippen zusammen. Daß der Mann Schmerzen litt, war ihre Schuld.
Entschlossen ging sie zum Wassereimer und tauchte einen Lappen ein, den sie
dem Verletzten über die Stirn legte.
Die
durchdringenden blauen Augen öffneten sich. In ihren Tiefen glühte etwas,
dunkel und brennend, das von Qualen und dem Gefühl des Betrogenseins kündete.
Etwas, das in ihr den Wunsch weckte, sie hätte alles ungeschehen machen können.
»Ich mußte
es tun«, flüsterte sie. »Ich wünschte, Sie könnten es verstehen.«
Seine Augen
schlossen sich langsam. »Vielleicht verstehe ich es«, murmelte er. »Vielleicht
bewundere ich Sie deswegen sogar. Aber ich kann Sie trotzdem nicht gehen
lassen.«
Velvet
sagte nichts mehr. Einem Mann wie ihm war sie noch nie begegnet. Sie verstand
ihn nicht
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