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Wie Samt auf meiner Haut

Wie Samt auf meiner Haut

Titel: Wie Samt auf meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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im mindesten, und dennoch fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Sie war
fasziniert von der Wildheit, die ihm anhaftete, und berührt von der Sanftheit,
die sie mehrmals in ihm gespürt hatte.
    Sie würde
ihren Kampf nicht aufgeben, da sie keine andere Wahl hatte. Aber sie wußte
auch, daß sie ihm niemals wieder wehtun würde, komme, was da wolle.

5
    Carlyle Hall präsentierte sich in der
Dunkelheit des kühlen Märzabends funkelnd wie ein Juwel. Sämtliche Fenster
waren von Wachskerzen erhellt, Spinettklänge durchdrangen wohltönend die
nächtliche Stille.
    Anfang des
Jahrhunderts erbaut, wirkte das aus Portland-Stein im klassischen Palladio-Stil
geschaffene Haus mit seinen grazilen, venezianisch anmutenden Balustraden und
den für die Epoche typischen Giebelfeldern mitten in West Sussex wie ein
seltenes Kleinod.
    Unter den
Deckenfresken des King-James-Raums schritt Avery Sinclair vor dem
Goldbrokatsofa auf und ab. Sein Besucher war Bacilius Willard, ein großer,
stämmiger Mann, ehemaliger Polizeispitzel, der seinen Dreispitz nervös in den
Händen drehte und wendete.
    »Wo, zum
Teufel, kann sie nur stecken?« Der Feuerschein fiel auf die Perücke, die das
goldene Haar des Herzogs bedeckte. »Bis zur Hochzeit sind es nur mehr drei
Tage. Die Gäste treffen schon ein. Zum Glück ist ihnen nicht aufgefallen, daß
die Kleine nicht da ist. Sogar der Alte vergißt es die halbe Zeit. Aber früher
oder später wird durchsickern, daß etwas nicht stimmt.«
    »Wir hätten
sie längst finden müssen«, sagte der vierschrötige Willard. »Ein gutes Dutzend
Männer haben die Wege zwischen hier und dem Ort der Entführung durchgekämmt.
Früher oder später müssen wir auf die Bande stoßen.«
    »Na, dann
sorge dafür, daß es eher früher der Fall ist!« Baccy nickte mit dem mächtigen,
zottigen Schädel. Er war schon seit über sechs Jahren für Avery tätig, seit er
bei einem kleinen Diebstahl ertappt wurde und im Gefängnis von Newgate gelandet
war. »Der Kutscher sagte, daß der Kerl das Mädchen raubte, weil er Lösegeld
wollte, aber bis jetzt ist noch keine Forderung eingetroffen.«
    »Sie ist
ein niedliches kleines Ding. Gut möglich, daß bei dem Mann die Lenden über den
Verstand siegten.«
    Baccys
breites, pockennarbiges Gesicht färbte sich rot. »Wenn er sie angefaßt hat, ist
er ein toter Mann. Ich werde diesem Hund eigenhändig die Kehle durchschneiden.
Mein Wort darauf, Euer Durchlaucht.«
    Avery tat
seine Worte mit einer Handbewegung ab. »Im Gesamtplan spielt es keine Rolle, ob
er es mit ihr treibt oder nicht.« Obwohl die Vorstellung, von einem gemeinen
Räuber betrogen worden zu sein, heißen Zorn in ihm weckte. »Wichtig ist nur,
daß wir sie finden – und zwar bald. Ich kann den Alten ja nicht ewig versteckt
halten. Und die Hochzeit steht vor der Tür. Die Zeit läuft uns davon.«
    Baccy
zerknüllte den Dreispitz in seinen Händen. »Ich werde Euch nicht enttäuschen,
Euer Durchlaucht.«
    »Da bin ich
ganz sicher.« Avery glaubte dem Mann tatsächlich. Baccy Willard war treu wie
ein Jagdhund. Avery hatte ihn den Fängen des Todes entrissen, indem er ihn vor
dem Galgen auf Tyburn Hill bewahrte, und es gab nichts, was der Riesenkerl
nicht für ihn getan hätte.
    Genau das
war auch seine Absicht gewesen.
    »Fort mit
dir«, sagte Avery und schlug dem Mann auf die mächtige Schulter, eine Geste,
als würde er einem Spaniel einen Knochen hinwerfen. »Bring mir die Kleine
zurück, und dir ist ein hübscher praller Beutel voller Guineen sicher.«
    Baccy gab
keine Antwort. Anders als Avery schätzte er Geld gering. Er arbeitete für ein
nettes Wort, für ein Lob oder ein Lächeln als Dank.
    Avery
freilich, der ihm befriedigt nachblickte, hielt seine Methode für die denkbar
haltbarste Fessel, um einen Menschen an sich zu binden.
    Wieder war ein Tag vergangen. Jason fuhr
mit dem Striegel durch die dichte schwarze Mähne seines Pferdes. Die leichte
Arbeit sollte ihn von den Gedanken an das Mädchen im Haus ablenken. Sein Kopf
schmerzte noch immer bei jeder jähen Bewegung. Verdammt, er konnte es nicht
fassen, daß er so dumm gewesen war, auf sie hereinzufallen.
    Einmal, vor
acht Jahren, hatte ihn Celia Rollins auf ähnliche Weise hereingelegt, und es
hätte ihn fast sein Leben gekostet. Herrgott, es hätte ihm eine Lehre sein
sollen.
    Und doch
waren die Umstände anders. Velvet Moran hatte ihn nicht betrogen, sie hatte ihm
nicht Gefühle vorgespielt, die sie nicht empfand. Sie war nicht mit dem Teufel
in Gestalt

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