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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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herab zu behandeln, dieser Grünschnabel. Was glaubst du, was Regis dabei empfindet? Und was
du
empfindest, wage ich mir gar nicht vorzustellen.«
    »Zerbrich dir darüber nicht den Kopf«, brach es aus Honor heraus. »Wen interessiert schon, was Peter Drake sagt oder denkt? Mich interessiert ausschließlich, was mit deiner Familie passiert ist. Unserer Familie, John!«
    »Ich habe alles zerstört.« Er ergriff ihre Hände. »An dem Tag auf den Klippen. Ich habe Regis nicht beschützt. Ich habe einem Verrückten die Möglichkeit gegeben, in unser Leben einzudringen, habe mich selber in ein Ungeheuer verwandelt, und Regis musste alles mit ansehen. Sie sagt, dass sie sich an nichts erinnert – das Erlebnis war so schrecklich, dass sie es aus ihrem Gedächtnis gestrichen hat. Ich weiß, es ist meine Schuld, Honor. Deshalb liebst du mich nicht mehr, oder? Sag es mir.«
    »Es hat schon vor jenem Tag angefangen.« Sie brach in Tränen aus und entzog ihm ihre Hände.
    »Was?«
    »Unsere Beziehung hatte schon Jahre vor der Irlandreise einen Knacks …«
    »Sag mir, warum.« Er sah so erschüttert aus, als hätte sie ihn mit Eiswasser übergossen.
    »Du hast es nicht einmal bemerkt«, schluchzte sie. »Du bist nach Irland geflogen und hast um deine Vorfahren getrauert, um alle Familien, die durch die Hungersnot und Auswanderung auseinandergerissen wurden. Dabei war unsere Familie gleichermaßen zerrissen. Ich dachte, alles, was mir jemals wichtig war – die Kunst, die Liebe, du –, würde auf ewig Bestand in meinem Leben haben.«
    »Wir könnten wieder dort anknüpfen.«
    »Kannst du dir vorstellen, wie das für mich war? Ich war ebenfalls mit Leib und Seele Künstlerin! Doch sobald die Kinder auf der Welt waren, hatte die Familie Vorrang für mich. Ich habe dich so sehr geliebt.«
    »Ich habe dich genauso geliebt, über alles.« Er sah sie fassungslos an. »Glaubst du mir nicht?«
    »Als du meintest, du müsstest nach Labrador, um das Nordlicht am kürzesten Tag des Jahres zu fotografieren … und dann nach einem Schneesturm tagelang eingeschneit warst, habe ich Weihnachten mit den Mädchen alleine zu Hause verbracht. Und während du in Churchill warst, um eine Schneehöhle, einen Eispalast zu bauen und Nahaufnahmen von Polarbärenfamilien zu machen … stand deine eigene Familie Todesängste aus, du könntest in Stücke gerissen werden.«
    »Honor …«
    »Und dann die Reise nach Irland. Auf die ich mich gefreut habe, seit wir die Schatulle gefunden hatten und ich dir versprechen musste, dich zu begleiten … Nur habe ich dich nicht begleitet, John. Du bist vorausgeflogen. Du bist mit Greg White durch die Laderäume der Hungersnotschiffe gekrochen – mit jemandem, den du gerade erst auf den Docks kennengelernt hattest. Er war es, der diese Erfahrung mit dir geteilt hat, nicht ich.«
    »An diesem Tag hat das Unheil begonnen.«
    »Du hörst nicht zu.« Ihre Stimme wurde lauter. »Dieser Tag war nicht der Anfang vom Ende. Ballincastle war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat!«
    »Willst du mir damit zu verstehen geben, dass es mit uns beiden endgültig vorbei ist?«
    Ihr Herz klopfte ihr bis zum Halse. Sie blickte ihn an, sah das Feuer in seinen Augen. Sein Ungestüm hatte ihn in Teufels Küche gebracht, aber er hatte offenbar nichts dazugelernt. Sie konnte seine Frage nicht beantworten, hatte sich zu keinem Entschluss durchringen können, nicht einmal jetzt. Sie rannte zur Küche hinaus, in ihr Atelier, und schlug die Tür hinter sich zu.
    Sie setzte sich an die Staffelei, starrte das Bild von Ballincastle an; sie saß regungslos da, bis sie hörte, dass er das Haus verließ, und ihn über den Hügel zum Strand hinuntergehen sah. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Dann nahm sie den Pinsel in die Hand und stürzte sich in die Arbeit, als könnte sie alles, was ihr Leben ausgemacht hatte, auf die Leinwand bannen.
    Oder es einfach aus ihrem Leben malen.

[home]
    20. Kapitel
    A m Abend danach ging Regis’ Schicht im Paradise dem Ende zu. Sie hatte es satt, Eis zu servieren; ihre Füße taten weh, ihr Gesicht war vom vielen Lächeln ganz taub. Und zu allem Überfluss hatte sie auch noch ein unbehagliches Gefühl, was ihre Mutter betraf. Regis hatte sie trotz der geschlossenen Tür weinen hören. Als sie Peter davon erzählt hatte, war seine missmutige Meinung gewesen, dass dies alles allein die Schuld ihres Vaters sei und sie endlich erkennen solle, dass er Gift für die ganze Familie Sullivan

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