Wie Sand in meinen Händen
hinauf einschlagen, wo Honors Wagen stand, aber sie griff nach seiner Hand.
»Wir gehen am Strand entlang.«
»Bist du sicher? Es wird gleich dunkel.«
»Wenn wir uns schon durch die Hintertür hereinschleichen müssen, dann richtig.« Sie umklammerte seine Hand. »Oder willst du mir erzählen, dass du das nicht kannst?«
»Eines darfst du mir glauben, du Strandmädchen. Als du noch auf Hubbard’s Point gewohnt hast und ich hier beim Kelly-Clan, habe ich, um zu dir zu gelangen, Abkürzungen gefunden, die keiner kennt. Ich zeige sie dir; bist du bereit?«
»Ja.« Sie blickte in seine Augen. »Zeigst du mir wirklich
alle
Abkürzungen?«
Er hatte in all den Jahren so viele Dinge in sich verschlossen; im Grunde hatte sie sich immer nur gewünscht, einen Zugang zu ihm zu finden.
Er nickte feierlich und trat näher, so dass sie sich Auge in Auge gegenüberstanden.
»Ja«, sagte er. »Und weißt du was noch?«
»Was?«, flüsterte sie. Die Luft war lau, die Sonne war gerade erst untergegangen und es war Sommer, aber sie spürte, wie ihr ein Schauder über den Rücken lief.
»Gerade jetzt werde ich dir all meine Geheimnisse offenbaren.«
»John.«
Er legte den Finger auf ihre Lippen. »Alle, Honor.«
Ihre Gefühle befanden sich in Aufruhr, als sie aufbrachen und den Weingarten durchquerten, dem Klang der Wellen und dem Geruch des Meeres folgend, dem Ort entgegen, den sie einst ihr Zuhause genannt hatte.
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21. Kapitel
J ohn und Honor gingen den Strand entlang, wo sie sich bei jedem schmalen Bach und Wasserlauf, an den sie gelangten, an den Händen fassten und sich gegenseitig hinüberhalfen. Der silbrige, verwitterte Baumstamm, der als Behelfsbrücke über die Mündung der Seemarsch diente, war ziemlich wackelig, deshalb bückte er sich und bot ihr seinen Rücken an, um sie hinüberzutragen. Zu seiner Überraschung ging sie darauf ein. Bei ihrer Berührung begann sein Herz zu rasen, und er wäre am liebsten stehen geblieben, um sie abzusetzen und zu küssen. Ihm war, als träumte er.
Am anderen Ufer angekommen, sprang er vom Baumstamm herunter. Sie hatte ihre Arme um seinen Hals geschlungen, umklammerte mit den Beinen seine Taille, ihre Wange an seine geschmiegt. Sie forderte ihn nicht auf, sie abzusetzen, also trug er sie weiter huckepack.
Der Weg führte am Strand entlang. Das Wasser befand sich zu ihrer Rechten, und der Wald, ein Teil des Naturschutzgebietes, ragte linker Hand auf. Unmittelbar hinter einer Mole, die steil zum Meer abfiel, stapfte er zielstrebig den Strand hinauf, bis zu einem undurchdringlichen Dickicht. Erst dann setzte er Honor ab, schob das Gestrüpp beiseite und bahnte ihr den Weg durch das Labyrinth überwucherter, verborgener Wege.
Im dunkelsten, unheimlichsten Teil des Waldes legte er schützend den Arm um ihre Taille. Er konnte seine Finger nicht von ihr lassen, und die unheimliche Atmosphäre ringsum bot ihm einen Vorwand, ihre Nähe zu suchen. Sie drängte sich schutzsuchend an ihn, als sie am Rand des Indian Grave, der alten indianischen Begräbnisstätte, vorüberkamen und an Fish Hill, einem ehemaligen Herrenhaus, von dem nur noch die Grundmauern übrig geblieben waren, in denen es angeblich spukte.
»Das ist der Weg, den ich jeden Abend eingeschlagen habe, um zu dir zu kommen«, sagte er.
»Bis du deinen Führerschein hattest.«
»Auch dann bin ich oft zu Fuß gegangen. Durch den Wald zu gehen hat etwas – man tritt aus der Dunkelheit ins Licht –, es war dein Licht, Honor, das mich dazu veranlasst hat …« Er war in den letzten Tagen völlig verzweifelt gewesen, hatte gedacht, alles sei zu Ende. Was hatte sie gesagt? Irland war der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Der Gipfel all dessen, was schiefgelaufen war … Doch nun war sie endlich bei ihm, sah ihn an wie früher, mit leuchtenden Augen und einem strahlenden Lächeln.
»Gab es diesen Weg schon immer?«
»Ich musste ihn mir freikämpfen, kreuz und quer durch das Dickicht – aber vermutlich existieren einige dieser Wege schon seit meiner Kindheit. Irgendjemand sorgt immer wieder dafür, dass sie auch heute noch passierbar sind.«
»Regis kommt manchmal hierher. Mit Peter.«
»Ich habe ihr den Weg gezeigt, vor langer Zeit. Weil sie wissen wollte, wie ich früher zu dir gelangt bin.«
»Sie sehnt sich nach einer liebevollen und engen Beziehung, wie wir sie hatten«, sagte Honor ruhig.
»Ich weiß.« Er wünschte sich das Gleiche für seine Tochter – aber er
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