Wie Sand in meinen Händen
jetzt sehe ich sie. Aber da John und ich uns hereingeschlichen haben, um die Vorstellung anzuschauen, bleiben wir besser in Deckung. Wir werden den Drakes lieber ein anderes Mal unter die Augen treten.«
»Hast du sie schon kennengelernt, John?«, fragte Darby.
»Ich nehme an, dass sie schon von mir gehört haben.«
»Bestimmt«, erwiderte Suzi herzlich. »Wir sind so stolz darauf, einen berühmten Künstler unter uns zu haben.«
Honor blickte ihre Freundinnen dankbar für die Unterstützung an, und in diesem Augenblick bemerkte John ihre Verletzlichkeit – und fragte sich, wie oft sie ihn schon vor Freunden und Bekannten in Schutz genommen hatte.
Dann wurde die Leinwand plötzlich hell, die Vorstellung begann. Suzi und Darby verabschiedeten sich mit einem Kuss von Honor, lächelten John zu und eilten davon. Als John ihnen nachschaute, sah er, dass etliche Leute auf der Strandpromenade zu ihnen herüberschauten.
Honor ergriff seine Hand und zog ihn auf die Decke hinunter. Die Kuhle, die sie gegraben hatten, war sehr bequem, und ihre Rückenstütze aus Sand bot gleichzeitig Schutz vor neugierigen Blicken.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie.
»Prima. Und mit dir?«
»Auch gut.«
Sie lächelten; beide logen, und sie wussten es. Sein Herz klopfte, als er über die Rückenlehne zu Peters Eltern hinüberspähte und sah, dass sie ihn anstarrten und mit einigen Leuten tuschelten. Er hatte das Gefühl, als sollte er gleich gelyncht werden.
»Honor, bist du sicher, dass es dir gut geht?«
»Es geht mir gut. Und von Minute zu Minute besser.«
»So wird dein Leben sein. Mit mir. Die Leute werden uns anstarren und tuscheln. Ich kann es dir nicht verdenken, wenn du das nicht willst. Ich schwöre dir, Honor – ich könnte es dir nicht im Geringsten übelnehmen.«
»Ich sagte bereits – es ist mir egal, was die Leute denken. Das war nie das Problem.« Sie stand auf und klopfte den Sand von ihren Beinen. »Komm.«
»Was hast du vor?«
Sie reichte ihm die Hand und zog ihn hoch. Ihre Augen funkelten, als sie ihm zur hölzernen Strandpromenade vorausging. John blickte zum Firmament empor, sah die Milchstraße, eine Ansammlung weißer Sterne, hauchfein wie ein Schleier am Sommerhimmel. Honor ging zielstrebig auf das Paar zu, das unter dem Pavillon stand.
»Hallo Millie.« Honor lächelte höflich. »Hallo Ralph. Darf ich euch meinen Mann vorstellen? Das ist John.«
John richtete sich kerzengerade auf; sie hatte
mein Mann
gesagt, statt
Regis’ Vater
…
»Guten Abend.« Alle reichten sich zur Begrüßung die Hand.
»Wir haben schon viel von Ihnen gehört«, erklärte Millie und hatte vor lauter Entzücken Grübchen in den Wangen, während sie nicht weiter darauf einging, was unausgesprochen in der Luft hing.
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte Ralph mit dem jovialen Lächeln eines Golfspielers am neunzehnten Loch. Ein Mann, der das Leben sichtlich in vollen Zügen genoss, mit gerötetem Gesicht und Tränensäcken unter den Augen.
Ein tödliches Schweigen trat ein, mit dem die Drakes deutlich machten, dass John ihnen nicht aufgrund seiner Kunst, sondern in einem anderen Zusammenhang bekannt war. John blieb ruhig, doch er fühlte sich wie im Auge eines Hurrikans. Er spürte, wie sich das Unheil zusammenbraute; er war kurz davor zu explodieren, die wachsende Wut lastete wie ein stärker werdender Druck auf seiner Brust; sie wuchs immer weiter an, genau wie damals im Gefängnis von Portlaoise, als er sah, wie er von den Eltern eines Jungen verurteilt wurde, den er schon jetzt nicht leiden konnte, eines Jungen, der sich ein Anrecht auf seine Tochter anmaßte.
»Ich nehme an, Sie wurden vorzeitig entlassen«, meinte Ralph. Binnen Sekunden war der joviale Golfspielerblick dem heimtückischen Blick eines Haibullen gewichen.
»Gerade rechtzeitig, würde ich meinen.«
»Wie ich von einigen befreundeten Anwälten in Dublin hörte, hat Tom Kelly einen einflussreichen Barrister eingeschaltet, der die Aussetzung der Reststrafe erwirken konnte.«
»Ralph …«, fuhr Millie ihn an.
»Befreundete Anwälte, in Dublin …«, sagte John.
»Ich habe natürlich Nachforschungen angestellt«, sagte Ralph. »Schließlich heiratet Ihre Tochter meinen Sohn.«
»Wozu die Umstände? Sie hätten mich nur zu fragen brauchen. Ich habe nichts zu verbergen«, erwiderte Honor scharf.
»Sie wussten ja nicht einmal, dass er längst draußen war.«
John spürte, wie Honor neben ihm zusammenzuckte. Sie hatte ihn verteidigen
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