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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Leinwand zu entdecken. Sie waren überall – und nirgends.
    Als sie hörte, wie sich Regis im Bett hin- und herwälzte und im Schlaf aufschrie, wischte sie sich die Farbe von den Händen ab und eilte zu ihr. Agnes und Cece saßen aufrecht in ihren Betten. Regis war tränenüberströmt und murmelte unverständliche Worte.
    »Schatz, wach auf. Es ist nur ein Traum …«
    Honor hielt sie in den Armen, versuchte sie aufzuwecken, so dass sie dem Schrecken gemeinsam ins Gesicht sehen, zur Wurzel des Übels durchdringen und somit seinen Bann brechen konnten. Doch ihre Tochter wachte nicht auf, sondern glitt in einen tiefen traumlosen Schlaf, und Honor küsste schließlich Regis und ihre Schwestern und kehrte ins Atelier zurück.
    Als sie nun in der Küche stand, blickte sie aus dem Fenster. Die Mädchen waren unterwegs – Regis hatte gearbeitet, und Cece war bei Agnes und Brendan. Sie hatten angerufen und gesagt, dass sie alle miteinander ins Strandkino nach Hubbard’s Point gehen wollten.
    Honor blickte zum Wasser hinunter und sehnte sich nach John. Sie dachte daran, wie schwer seine Heimkehr gewesen war, und überlegte, was er heute Abend tun mochte.
    Sie verließ die Küche, schloss die Tür hinter sich und überquerte die Wiese, die in das Licht des ausklingenden Tages getaucht war. Libellen schwebten über den grüngoldenen Gräsern, und Sternblumen schwankten im Abendwind. Als sie den Weingarten erreichte, nahm sie den würzigen Geruch der reifen Trauben wahr; die Erntezeit stand kurz bevor.
    An der Mauer angelangt, hielt sie inne. Sie stand auf der Anhöhe oberhalb des Strandes und spürte, wie die Meeresbrise ihre Haare zerzauste. Unten hatte John sein Tagwerk beendet. Sämtliche Fragmente des zertrümmerten Felsens waren fein säuberlich im Sand ausgelegt. Auf den ersten Blick meinte Honor, einen weitläufigen Kreis zu erkennen, doch bei genauerem Hinschauen sah sie, dass Felsbrocken, Steine und Kiesel ein komplizierteres Muster ergaben – konzentrische Kreise, die ein Labyrinth bildeten. In der Mitte befand sich eine leere Fläche.
    Sie stieg den Hügel hinab. Als sie das Steincottage erreichte, sah sie John im Sand sitzen. Er hatte die Arme um die Knie geschlungen und blickte aufs Meer hinaus.
    »Hallo«, sagte sie.
    »Hallo Honor.« Er klang überrascht.
    »Ich habe mir angeschaut, was du gemacht hast.« Sie deutete auf das Labyrinth. »Interessant. Und sehr schön.«
    »Danke.«
    »Du hast es tatsächlich geschafft. Du hast die Bruchstücke wieder zusammengefügt. Nur in einer neuen, anderen Form.«
    »Reines Wunschdenken, fürchte ich. Aber es tut gut, wieder arbeiten zu können. Angefangen hat es mit dem Gedanken, das Ganze wie ein Puzzle zu betrachten. Der Fels lässt sich nicht wieder in seine ursprüngliche Form zurückführen, wieder zu einer festgefügten Einheit zusammenschweißen. Und wir … wir passen auch nicht mehr zusammen, weil etwas fehlt. Vielleicht ist es in Irland verloren gegangen oder es fehlt schon lange – wie du neulich schon sagtest.«
    »Verloren gegangen?«
    »Etwas, das wir nicht finden können … den roten Faden, der ans Ziel führt. Deshalb habe ich das Labyrinth errichtet. Weil es die einzige Möglichkeit war, zu erklären, wie
wir
beschaffen sind. Du und ich, Honor, und unsere Beziehung. Der Weg durch das Labyrinth ist unübersichtlich, verwirrend, aber wenn man ihn unbeirrt verfolgt, erreicht man möglicherweise das Ziel, die Mitte.« Er schüttelte den Kopf. »Das war meine Absicht, aber heute Abend sagt mir mein Gefühl etwas anderes.«
    »Und was?«
    »Dass wir uns im Kreis bewegen, die falschen Wege einschlagen, ein Ziel verfolgen, das es nicht gibt.«
    »Dieses Ziel gibt es. Es gibt ein wir.«
    Er zuckte die Schultern, wandte seinen Blick wieder dem Meer zu.
    »Hast du gehört? Es gibt ein
wir

    »Bist du sicher?«
    Sie nickte. »Hast du eine Decke im Haus?«
    »Natürlich«, sagte er verwundert.
    »Dann komm, wir gehen ins Kino.«
    »Was für ein Kino?«
    »Das Strandkino auf Hubbard’s Point – erinnerst du dich, dort waren wir früher oft. Als meine Familie ein Cottage dort hatte, bist du früher oft zu den Vorstellungen gekommen.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Mein völliger Ernst.«
    »Wir haben aber keine Eintrittskarte.« John begann zu lächeln.
    »Ich weiß; das ist ein Problem.«
    Seine Augen funkelten im verblassenden Licht. »Na gut, du möchtest ins Kino. Und ich bringe uns rein.«
    Er holte eine Decke und wollte den Weg zum Haus den Hügel

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