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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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stecken könnte, was Honor nicht entging. Sie sah ihn fragend an.
    Sie ahnte nichts, und er konnte nur hoffen, dass es so blieb.
     
    »Du warst bewundernswert, gestern Abend«, sagte Agnes, die mit Brendan auf der Decke saß. »Ich war stolz auf dich. Als du gesehen hast, dass Regis in der Klemme steckt, warst du sofort zur Stelle und hast ihr geholfen.«
    »Sie liebt ihren Vater abgöttisch und hat ihn nur verteidigt. Trotz allem, was ihr durchmachen musstet, seid ihr die reinsten Glückspilze. Ich wünschte, ich hätte so eine Familie, die wie Pech und Schwefel zusammenhält.«
    »Was ist mit deinen Eltern? Warum sprichst du nicht mit ihnen? Erkläre ihnen, wie du unter ihrer Trinkerei leidest …«
    Brendan sah sie aus großen Augen sanft an; sein Blick war klar und fest. Er betrachtete sie mit der gleichen nachsichtigen Duldsamkeit, mit der Agnes Leuten begegnete, die wissen wollten, wo ihr Vater steckte, wann die Familie ihn wieder besuchen wollte oder warum ihre Schwester entschlossen war, so jung zu heiraten. Fragen, auf die sie keine Antwort erhielten. Aber Brendan zuckte mit keiner Wimper.
    »Dumme Frage, oder?«
    »Keine Frage, die du stellst, könnte jemals dumm sein«, meinte er.
    Er langte zu ihr herüber und strich ihr langes Haar zur Seite, das die kahlrasierte Stelle bedeckte, und berührte sacht ihre Narbe. Ihre Haut kribbelte unter seiner Berührung, als hätte sie einen Stromstoß erhalten; sie schloss die Augen, hatte das Gefühl, dass er heilende Kräfte besaß. Mit einem Mal sah sie wieder die schimmernde weiße Lichtgestalt vor sich, die sie mit ihrer zerbrochenen Kamera festgehalten hatte, und wie Brendan ihre Schwester sanft von Peters Vater trennte.
    »Wer bist du?«, flüsterte sie.
    »Ich bin Brendan. Das weißt du doch.«
    »Brendan. Regis hat dich Erzengel genannt.«
    Er lachte leise, seine Hand lag auf ihrem Kopf. »Brendan war nur ein gewöhnlicher Heiliger.«
    »Kein Heiliger ist gewöhnlich«, entgegnete sie. »Erzähl mir etwas über ihn.«
    »Brendan war Seefahrer. Er stieg auf den Gipfel des Mount Brandon, einen der höchsten Berge Irlands, und blickte aufs Meer hinaus, den Atlantischen Ozean … von einer Stelle aus, die sich uns beinahe genau gegenüber befindet.«
    »Er schaute in Richtung Connecticut?«
    »Schon möglich. Er hatte jedenfalls eine Vision von einem sagenumwobenen Land jenseits des Meeres, im Westen der Insel, Tir Na Nog genannt – ›Das Gelobte Land der Heiligen‹. Es zog ihn magisch an, und so stach er in See, begab sich von einer kleinen Bucht aus, ähnlich wie die in Black Hall, auf die Suche nach dem heiligen Eiland. Eine Suche, die sieben Jahre dauerte … und die er unbeirrt fortsetzte, wie unbarmherzig Wind und Wellen auch sein mochten. Er gilt als Schutzpatron der Pilger und Suchenden.«
    »Wir waren sechs Jahre lang auf der Suche«, flüsterte Agnes.
    »Nach deinem Vater.« Er strich ihr über den Kopf.
    »Ich war fest davon überzeugt, dass alles gut würde, sobald er wieder zu Hause wäre. Meine Mutter wäre glücklich und Regis’ Alpträume hätten ein Ende. Ich dachte, dann würde ihr auch klar, dass Peter nicht der Richtige für sie ist.«
    »Agnes.« Brendans Augen strahlten und waren so klar; sie hatte das Gefühl, dass er bis auf den Grund ihrer Seele sah. »Sie wird es herausfinden, sofern das nicht schon geschehen ist. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg gegen, seine eigenen Fehler machen.«
    »Was hat sie eigentlich zu Mr. Drake gesagt?«
    »Das solltest du sie selbst fragen«, erwiderte Brendan leise und dachte daran, was Regis ihm später, nach der Ankunft auf Star of the Sea, anvertraut hatte.
    »Es sah so aus, als hätte sie gedacht, Mr. Drake wollte Dad angreifen – ich meine gehört zu haben, wie sie sagte: ›Rühr ihn nicht an.‹«
    »Genau das hat sie gesagt«, meinte Brendan, aber er wollte nicht näher darauf eingehen, ohne noch einmal mit Regis gesprochen zu haben und ihr die Gelegenheit zu geben, sich selbst dazu zu äußern.
    »Aber warum ist sie so ausgerastet?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ich glaube einfach nicht, dass sie Mr. Drake verletzen wollte. Dazu wäre Regis überhaupt nicht fähig … Du hättest sie in Ballincastle sehen sollen, nachdem sie mit anschauen musste, was auf der Klippe passiert war. Sie war schneeweiß, ihr Blick war leer. Sie wirkte wie erstarrt, redete kein Wort.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Nach dem, was sie erlebt hatte.«
    »Die Polizei führte meinen Vater ab, und eine Ambulanz

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