Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
sei zu hart mit mir umgesprungen, das ist alles. Das hat ihre Gefühle verletzt.«
    »Interessant.« Detective Cavanagh warf abermals einen Blick in seine Akte – das Original, wie John selbst von der anderen Seite des Schreibtisches unschwer erkennen konnte, mit dem Stempel des irischen Gerichts. »Wurden ihre Gefühle in Irland ebenfalls verletzt?«
    »Nein.« Johns Beklemmung wuchs, er wusste, was als Nächstes kommen würde.
    »In dem Polizeibericht der
Gardai
in Ballincastle, wo Sie nach dem Mord an Gregory White festgenommen wurden, heißt es nämlich, dass Ihre Tochter Regis völlig außer sich war, weinte und immer wieder einen Satz schrie: ›Rühr meinen Vater nicht an.‹ Danach konnte die Polizei kein Wort mehr aus ihr herausbringen.«
    Johns Herz klopfte. Offensichtlich enthielt die Akte auch den Abschlussbericht der polizeilichen Ermittlungen in Irland. Peters Eltern mussten sie der Polizei überlassen haben.
    »Sie verstehen nicht«, sagte er. »Sie ist sehr dünnhäutig. Wären Sie das nicht auch, wenn Sie mit angesehen hätten, wie ein Mensch stirbt? Es war schrecklich für sie.«
    »Das kann ich mir vorstellen.« Detective Cavanagh schob ihm ein Blatt Papier zu.
    Es war Regis’ Brief, den Honor der Polizei in der Blauen Grotte gegeben hatte, wie John mit einem Blick feststellte. Er musste ihn nicht lesen. Er wusste, was darin stand …
    Ihr Lieben,
    Dad hat versucht, die Schuld auf sich zu nehmen, aber das kann ich nicht mehr zulassen.
    Ich dachte, Erwachsensein bedeutet, verheiratet zu sein, und genau das wollte ich. Doch die wichtigsten Dinge sind mir dabei entgangen.
    Erwachsensein bedeutet, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
    Ich habe viel von Euch gelernt, von Euch allen.
    Leider versteht sich unsere Familie meisterhaft auf die Kunst der Geheimniskrämerei. Der Brief, den Tante Bernie von Mom erhalten hat, ist zweifellos der beste Beweis.
    Ich muss gründlich nachdenken, um die richtige Entscheidung zu treffen.
    Bitte versucht nicht, mich aufzuhalten; das würde Euch ohnehin nicht gelingen.
    Ich liebe Euch, Euch alle –
    Regis
    John lehnte sich in seinem Stuhl zurück und starrte aus dem Fenster. Auf der Shore Road herrschte dichter Verkehr; trotz Glasscheiben und Klimaanlage vernahm er die gedämpften Geräusche der vorüberfahrenden Autos, die mit Booten und Familien beladen zum Strand oder nach Hause fuhren. Bei dem Gedanken an die Sorgen, die sich Honor um ihre Tochter machte, musste er die Armlehnen umklammern, um nicht aus der Haut zu fahren und Detective Cavanagh anzubrüllen.
    »Was meint sie damit«, fragte Cavanagh. »Wenn sie schreibt, dass sie die Verantwortung für sich selbst übernehmen möchte?«
    John blickte schweigend aus dem Fenster.
    »Und hier.« Sie deutete auf den letzten Absatz. »Wo sie schreibt, dass sie die richtige Entscheidung treffen will?«
    »Ich möchte einen Anwalt«, erwiderte er ruhig und wusste, dass Regis ihn nötiger brauchen würde als er.

[home]
    26. Kapitel
    A uf ihrem Weg durch den Konvent blieb Bernadette kurz stehen und blickte zum Fenster hinaus – Tom stand immer noch neben Brendans Wagen, fraglos in das Bild des Meerungeheuers vertieft. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie sehen, dass Toms Augen leuchteten, als würden ihm all die ungelösten Rätsel und Geheimnisse Antrieb verleihen.
    Angesichts dessen, was nun vor ihr lag, ordnete sie ihren Schleier, klopfte den Staub ab, der beim Knien auf dem Boden der Grotte an ihrem Habit haften geblieben war, und strebte dem abgeschlossenen Bereich des Klosters zu. Sie faltete die Hände, um zu verhindern, dass sie zitterten. Es war kurz vor zwei, und die Schwestern hatten sich zur
Non
in der Kapelle versammelt.
    Bernie trat ein. Sie ging an ihrem gewohnten Platz, dem letzten Chorstuhl der ersten Reihe, vorüber und trat vor den Altar. Die Schwestern schwiegen, jede für sich in ein stilles Gebet versunken. Einige knieten, die meisten saßen.
    »Im Namen des Vaters«, begann Bernie und bekreuzigte sich; die Schwestern folgten ihrem Beispiel. Sie sah, dass manche überrascht schienen. Normalerweise nahm sie einfach ihren Platz ein und betete gemeinsam mit den anderen, eine Nonne unter Nonnen. Sie leitete die Ordensgemeinschaft, aber dabei ging es vornehmlich um die Verwaltung. Im Hinblick auf Gebete und das kontemplative Leben waren alle gleich.
    »Ich bitte euch, aus besonderem Anlass meine Nichte Regis Sullivan in eure Gebete einzuschließen«, fuhr sie fort. Sie stand hoch

Weitere Kostenlose Bücher