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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Dunkelheit auf den Mauern herumrennen? Unter den Tieren, die an Land lebten, oder den großen Fischen im Meer gingen viele nachts auf die Jagd – wie man bei Sisela sah. Cecilia schauderte, wenn sie daran dachte, dass ihre Schwester draußen umherstreifte, unter wilden Geschöpfen. Sie wünschte, Regis oder ihre Mutter würden aufwachen und merken, dass Agnes verschwunden war.
    Aber alle schienen tief und fest zu schlafen, so dass Cecilia wohl oder übel beschloss, ihrer Schwester allein nachzugehen. Ihr über den großen Campus zu folgen, war kein Problem – die Rasenflächen waren gepflegt, die Wege gut beleuchtet. Doch der Weingarten machte ihr Angst. Nirgendwo gab es Licht, aber jede Menge Furchen in der Erde. Cecilia hörte Tiere zwischen den Rebstöcken entlanghuschen und sah die Silhouette einer Eule im Tiefflug, die sich offenbar auf der Jagd befand.
    Agnes war weit vor ihr; sie hatte nicht nur einen Vorsprung, sondern auch den Vorteil, jede Handbreit der Mauern zu kennen. Cecilia roch die würzigen Trauben, spürte, wie abgeknickte Weinreben und Blätter ihr Gesicht streiften, als sie sich durch die Reihen der Rebstöcke kämpfte. Sie schauderte, als sie schnurstracks in ein riesiges Spinnennetz lief; sie hatte es nicht gesehen, aber sie spürte die Spinnweben überall auf Nase und Lippen.
    Als sie das andere Ende des Weingartens erreichte, wo sich das Land dem Meer zuneigte, verhielt Cecilia ihren Schritt. Sie hatte Agnes aus den Augen verloren. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, und mit einem Mal schlug ihr das Herz bis zum Halse.
    »Agnes?«, flüsterte sie.
    Keine Antwort. Das Einzige, was zu hören war, waren der Wind in den Blättern und die Wellen an der Küste. Sie hielt den Atem an, war vor Angst wie gelähmt. Sie hatte keine Angst um sich, aber sie fürchtete um ihre Schwester.
    Sie taumelte den Hügel hinunter und begann zu rennen. Sie hatte Agnes zuletzt auf der Mauer gesehen, die zum Strand führte, wie sie direkt auf das Wasser zulief. Cecilia hatte sie schon mehrfach dabei beobachtet, jedoch am Tag, und es endete stets damit, dass Agnes kopfüber ins Meer sprang.
    »Oh Gott!«, schrie Cecilia auf. Was war, wenn Agnes sich bei ihrem Sprung eine Verletzung zugezogen hatte? Es war stockfinster, sie würde ihre Schwester nie finden. Als sie loslief, erspähte sie aus den Augenwinkeln Agnes’ Kamera an der Mauerkante. Das Objektiv war auf den Strand gerichtet, und ein kleines rotes Licht blinkte, offenbar war der Zeitmesser eingestellt. Als sich Cecilia näherte, klickte der Verschluss und das Blitzlicht der Kamera erhellte den Himmel.
    »Agnes? Wo bist du?«, schrie Cecilia.
    »Was machst denn du hier draußen?«, ertönte eine Stimme, aber sie gehörte nicht Agnes, sondern Regis, die Sisela nachgejagt und Cecilia den Hügel hinunter gefolgt war.
    »Und was machst
du
hier?«
    »Ich bin gerade noch rechtzeitig aufgewacht, um mitzubekommen, wie du aufgestanden und nach draußen gelaufen bist. Cece, es ist mitten in der Nacht – komm nach Hause und geh ins Bett, bevor Mom –«
    »Ich bin Agnes gefolgt«, platzte Cece heraus.
    »Was?« Regis war offenbar erst halb wach. »Schläft sie denn nicht?«
    Cecilia schüttelte den Kopf.
    »Jesus, Maria und Josef. Wo ist sie?«
    Regis spähte in die Dunkelheit. Sisela sauste den Hügel hinunter zum Strand, als folgte sie einer bestimmten Spur.
    »Keine Ahnung.« Cecilia begann zu zittern. »Ich habe gesehen, wie sie auf der Mauer entlanglief … und da drüben ist ihre Kamera …«
    Regis ging hinüber, hob sie auf und nahm sie in Augenschein. Cecilia verstand nicht viel vom Fotografieren, aber erkannte auf den ersten Blick, dass Agnes ihre Digitalkamera benutzt hatte.
    »Wenn man den richtigen Knopf drückt, kann man das letzte und das vorletzte Bild anschauen, das aufgenommen wurde; vielleicht sehen wir dann, wo sie stecken könnte«, meinte Regis. Sie drückte einen Knopf, und das kleine Display leuchtete auf. Die Aufnahme zeigte Agnes in ihrem weißen Nachthemd, schimmernd im silbernen Mondlicht, kurz bevor sie ins Wasser eintauchte.
    »Jetzt nicht.« Cecilia zog Regis an der Hand. »Wir müssen in der kleinen Bucht nachschauen. Das müsste ungefähr die Richtung sein. Sie macht das tagsüber andauernd … rennt die Mauer entlang und springt ins Wasser …«
    Jede weitere Erklärung war überflüssig. Hand in Hand rannten die Schwestern den Rest des Weges zu dem schmalen Strand hinunter. Überall lag Treibholz, knorrig und krumm, im

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