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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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diesem Landstrich entdeckt.
    Honor, ein paar Schritte vor ihm, wandte sich um. »Wie geht es ihr?«, fragte sie mit brechender Stimme.
    »Sie ist bei uns.« John dachte an die zahllosen Nächte, als er gedacht hatte, es gäbe keine Liebe mehr in der Welt, doch nun war er an der Seite seiner Frau, trug Agnes und Regis begleitete sie.
    »Agnes, alles wird gut, du wirst wieder gesund«, rief Regis, die wieder neben ihm herlief, die Hand ihrer Schwester haltend. »Du musst.« Dann sah sie John mit weit aufgerissenen Augen an. »Sie fühlt sich so kalt an. War sie lange im Wasser?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe ein Geräusch gehört, und da lag sie auch schon im Wasser. Ich habe sie sofort herausgezogen, auf den Sand …«
    »Warum warst du dort? Warum bist du nicht nach Hause gekommen?«, fragte Regis.
    John blickte Honor an. Sie war der Grund. Er hatte kein Recht, sich unaufgefordert in ihr Leben zu drängen. Tom hatte das steinerne Strandhaus hergerichtet und ihn zum Cottage gefahren. John hatte insgeheim gehofft, dass er Bernie davon erzählen würde und Honor es von ihr erfuhr. Falls das geschehen war, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie hatte den Blick unverwandt nach vorne gerichtet, die Lippen zusammengepresst.
    »Lichter«, rief Honor, bevor John antworten konnte. »Sie sind da.«
    Die Blaulichter auf den Fahrzeugen sahen aus wie ein Leuchtfeuer, das von der anderen Seite des Feldes herankam. Schwach sichtbar aus der Entfernung, bahnten sie sich blinkend ihren Weg durch die Bäume und Gräser der Marsch. Endlich, der Umriss der Kapelle tauchte auf, das zum Himmel emporstrebende Kreuz gespenstisch erhellt. Regis begann zu rennen, brüllte, schwenkte die Arme.
    »Hierher!«
    Sobald die Ambulanz die Gebäude der Akademie erreicht hatte, bewegte sich das blaue Licht nicht mehr und wurde gleißend; erst jetzt erkannte John, dass es zu einem Streifenwagen der Polizei gehörte, der das Rettungsfahrzeug begleitet hatte. Sein Magen verkrampfte sich, und er drückte Agnes fester an sich.
    Zehn Sekunden später bot sich John ein völlig anderes Bild. Es geschah wie im Zeitraffer, Schlag auf Schlag, doch er nahm sämtliche Einzelheiten wahr, ohne zu wissen, welche Folgen sie für sein Leben haben könnten und das Leben der Menschen, die er liebte. Das hatte er schon einmal erlebt.
    Die Fahrzeuge hielten. Rettungssanitäter sprangen heraus, baten ihn, Agnes auf eine Trage zu legen. Sie machten sich umgehend an die Arbeit, überprüften die lebenswichtigen Funktionen, fragten immer wieder: »Agnes, kannst du uns hören?« Ein Mann und eine Frau, weiße Hemden, dunkle Hosen, Fremde mit Stethoskopen. Der Streifenwagen beleuchtete mit seinem Blaulicht die Szenerie.
    Zwei Polizisten stiegen langsam aus. Ein Mann mit kurz geschorenem dunklen Haar wie beim Militär, eine Frau mit blonden Haaren und Pferdeschwanz.
    »Hallo Honor«, sagte die Polizistin, und Honor, in Tränen aufgelöst, murmelte etwas Unverständliches in Johns Richtung, während sie die Hände der Polizistin ergriff und sie zu Agnes zog.
    Wo war Regis?
    »Guten Abend, Sir«, begrüßte ihn der Polizist.
    Er war jung – vermutlich unter dreißig – und mit einem Meter achtzig ein paar Zentimeter kleiner als John. Breitschultrig wie ein Gewichtheber, hatte er einen Gesichtsausdruck, der Angehörigen der Polizei und Küstenwache angeboren zu sein schien. Mit einem Blick, der alle Fassaden wie ein Laserstrahl durchdrang und die tiefsten Abgründe eines Menschen ausleuchtete.
    »Guten Abend«, sagte John.
    »Darf ich um Ihren Namen bitten?«
    »John Sullivan.« Ein Blick auf das Namensschild verriet ihm, wen er vor sich hatte: Sgt. Kossoy.
    »Was haben Sie mit der Geschichte zu tun, wenn ich fragen darf?«
    »Mit der Geschichte –«
    »Können Sie mir sagen, was genau passiert ist?«
    »Ich war am Strand, als ich den Aufprall im Wasser und einen Schrei hörte«, sagte John. »Oder anders herum –«
    »Einen Schrei?«
    »Ja, einen leisen Schrei.«
    »Wie bei einem Kampf?«
    »Ich weiß nicht. Nein, ich glaube nicht – ich nehme an, dass sie den Halt verloren hat und ins Wasser gefallen ist.«
    »Aber Sie sagten gerade, dass sie schrie.«
    »Ein Angstschrei – als ihr klar wurde …« John wandte seine Aufmerksamkeit Agnes zu. Die Krämpfe hatten wieder eingesetzt. Honor wollte auf sie zustürzen, doch die Polizistin hielt sie zurück. Honor schluchzte; die Rettungssanitäter bereiteten eine Valiumspritze vor. Als Agnes die Injektion erhielt, hörten die

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