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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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wunder Punkt. »Ich habe nie darüber gesprochen, was damals passiert ist …«
    »Jetzt mal im Ernst: Deshalb hat dich der Richter ja auch zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Du hast ihm keine andere Wahl gelassen.«
    Johns Blick schweifte über das Feld und die idyllische grüne Landschaft, begrenzt vom Blau des Meeres und einem endlos weiten Himmel. Er hatte in seiner Zelle oft davon geträumt. Der Geruch der Weinreben erfüllte die Luft. Einmal, im Oktober, hatten Honor und er büschelweise Trauben gepflückt. Sie hatten eine Decke ausgebreitet und sich geliebt, und danach hatte er sie mit Weintrauben gefüttert, eine nach der anderen.
    »Sag mir nur, ob der Richter recht daran getan hat«, sagte Tom.
    »Hat er.«
    »Mann, du schaust nach links unten.«
    »Wollen wir die Geschichte jetzt Tag und Nacht wieder aufwärmen?«
    »Ganz wie du meinst, John«, sagte Tom nach kurzem Schweigen. »Komm, lass uns einen Happen essen gehen.«
    »Soll ich mich umziehen?«
    »Lass ruhig. Dort, wo wir hingehen, ist das nicht nötig.«
    John folgte ihm zu seinem Wagen, der hinter den Schulgebäuden parkte.
    Er bemerkte, dass Tom einen kurzen Blick zu den Büros im Verwaltungstrakt hinüberwarf, Bernies Reich. John schüttelte lächelnd den Kopf, was Tom nicht entging.
    »Immer noch Feuer und Flamme. Für eine Nonne«, sagte John.
    »Was weißt du schon? Du warst seit Ewigkeiten nicht mehr hier …«
    »Seit sechs Jahren. Ich weiß.«
    Tom deutete auf einen grünen Pick-up, und sie stiegen ein.
    Die Landschaft war vertraut und doch fremd. Die Jahre in der Fremde hatten Johns Blick für Veränderungen geschärft – eine Häuserzeile, wo früher der Geisterwald gewesen war, in dem Tom und er so manchen Baum erklommen und behauptet hatten, dass es dort spuke. Und wo war der kleine Bootshafen in der Meerenge geblieben – sie war ausgebaggert und verbreitert worden, so dass sich der schmale Wasserweg beinahe in einen Strom verwandelt hatte. Die Molen, einst aus verwittertem Holz, waren durch betonierte Anlegestellen ersetzt worden und boten genug Platz für große Motoryachten.
    »Schau dir das an, Charlies Bootshafen«, sagte John.
    »Heute heißt er ›Yachthafen‹.«
    »Ich sehe keine Ruderboote.«
    »Das war einmal. Heute wollen alle größere Boote. Den Jugendlichen macht es keinen Spaß mehr, in der Marsch herumzurudern – sie bevorzugen Jet-Ski. Und die Eltern haben sich große hässliche Stinkpötte zugelegt.«
    »Ist Charlie noch Hafenmeister?«
    Tom schüttelte den Kopf. »Irgendeine Grundstückserschließungsfirma hat ihm genug gezahlt, um sich in Florida zur Ruhe zu setzen; dort hockt er jetzt irgendwo in seiner Eigentumswohnung und dreht durch, weil er das Einzige verloren hat, was ihm jemals etwas bedeutet hat – Boote, Docks, das Wasser. Wenn man etwas aufgibt, woran das Herz hängt, kriegt das Herz einen Knacks. Ich habe gehört, dass er im Frühjahr einen Herzanfall hatte.«
    »Hier ist nichts mehr so, wie es war.« John betrachtete den Bootshafen, meinte aber auch alles andere.
    »Manche Dinge haben sich nicht verändert.« Tom, der die Botschaft verstanden hatte, warf ihm einen raschen Blick zu. »Warte, bis du siehst, wohin ich dich bringe.«
    Er hatte recht. Kurz darauf standen sie vor dem Paradise Ice Cream. Die kleine Eis- und Imbissbude am Rande der Marsch mit den Picknicktischen, die Ausblick auf die Mündung des Connecticut River und den Long Island Sound boten, hatte sich nicht verändert. John war oft mit Honor und den Kindern hier gewesen, um Hummerbrötchen und frittierte Jakobsmuscheln zu essen. Außerdem gab es hier das beste Eis in der Umgebung. Die Leute standen vor dem Tresen Schlange, und John und Tom stellten sich dazu.
    »Riecht gut«, meinte John.
    »Ich hätte dir etwas Ausgefalleneres als Willkommensmahl bieten sollen, aber –«
    »Du kennst mich. Es gibt nichts Besseres als das Paradise.«
    Tom lächelte geheimnisvoll, als wüsste er etwas, wovon John nichts ahnte. John verzichtete darauf, ihn nach dem Grund zu fragen, er war viel zu glücklich, nach so langer Zeit wieder hier zu sein. Es herrschte reger Verkehr, Autos fuhren vor und wieder weg, aus Radios war Musik zu hören. Eine Familie ging mit ihren Tabletts vorbei. Nummern wurden über Lautsprecher ausgerufen. Ein junges Pärchen aß Waffeleis, an den großen Baum neben der Straße gelehnt.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, ertönte plötzlich eine Stimme.
    »Und ob«, erwiderte Tom grinsend, und als John

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