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Wie soll ich leben?

Wie soll ich leben?

Titel: Wie soll ich leben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bakewell
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Lebensführung auf so vielen Seiten ausgebreitet, dass er zu seiner eigenen Überraschung merkte, «dass sich diese rein zufällig mit zahlreichen Betrachtungen und Beispielen der Philosophie im Einklang fanden».
    Viel von seinem Erfolg in England war gleichfalls eher einem glücklichen Zufall geschuldet: Die Essais hatten schlicht und einfach das Glück, an den kongenialen englischen Übersetzer John Florio geraten zu sein.
    Dass John Florio der Erste war, der den in Montaigne verborgenen Engländer herauszukitzeln verstand, ist umso bemerkenswerter, als er selbst ein multikultureller Wanderer von höchst unenglischer Sensibilität war. Er gilt gewöhnlich als Italiener, obwohl seine Mutter eine Engländerin war und er 1553 in London geboren wurde. Er war also in erster Linie Engländer, allerdings mit einem italienischen Vater, Michele Agnolo Florio, Sprachlehrer und Autor, der viele Jahre zuvor als protestantischer Flüchtling nach England gekommen war. Als die Katholikin Maria Tudor auf den Thron kam, ging die Familie Florio erneut ins Exil und zog kreuz und quer durch Europa, weshalb der junge John mit so vielen Sprachen in Kontakt kam. Als Erwachsener wieder in England, machte er sich als Französisch- und Italienischlehrer einen Namen, er gab dialogisierte Lehrwerke des Italienischen für englische Muttersprachler heraus sowie ein erfolgreiches italienisch-englisches Wörterbuch.
    Die Essais übersetzte er auf das Drängen einer reichen Gönnerin, der Gräfin von Bedford. Sie machte ihn auch mit einer ganzen Schar vonFreunden und Mitarbeitern bekannt, die ihm bei der Zitatensuche und der Verbreitung des Buches halfen. Florio bedankte sich mit weitschweifigen Widmungen, die manchmal so verschnörkelt waren, dass sich selbst die Adressaten keinen Reim darauf machen konnten. Ein Satz aus seinem Brief an die Gräfin von Bedford liest sich so:
    Ihre Vorzüge gleichen Euren Mängeln so sehr, dass ich zu einem so langwierigen Unterfangen auf einem ebenso trefflichen wie weiten Feld angeregt werden würde und die in mir lodernden Geister mich anstacheln würden, wenn mir Eure sanft zügelnde Hand nicht Einhalt geböte (wer hat nie den Wunsch verspürt, über das hinauszugelangen, wofür man ihn hält, statt für etwas gehalten zu werden, was man nicht ist) , oder vielleicht sollte ich durch voreilige Erklärungen Eure unverkennbaren Vorzüge nicht beurteilen, Wenn Euer Wert gewogen werden wird .
    Das ist ein typisches Beispiel dafür, wohin es führte, wenn man Florio die Zügel schießen ließ. Wie Montaigne konstruierte auch er immer kompliziertere Gedankengänge wie eine Spinne, die ihre Seide produziert. Aber während Montaigne sich immer weiter vorwärtsbewegt, dreht Florio sich um sich selbst und verdichtet seine Sätze zu immer enger geführten barocken Windungen, bis sich ihr Sinn in einer komplizierten Syntax verflüchtigt. Der wirklich magische Funke entzündet sich nur dann, wenn beide aufeinandertreffen: Montaigne und Florio. Der eine ist so sehr der Erde verbunden, dass er des anderen Höhenflüge zügeln kann, während umgekehrt Florio Montaigne eine elisabethanisch-englische Färbung verleiht sowie jede Menge puren Spaß. Wenn Montaigne schreibt: Nos Allemans, noyez dans le vin (bei Stilett: «Unsre deutschen Soldaten […] sternhagelvoll»), heißt es bei Florio: «Our carowsing tospot German souldiers, when they are most plunged in their cups, and as drunke as Rats» («Unsere zechenden, versoffenen deutschen Soldaten, wenn sie tief in ihre Becher schauen und betrunken sind wie die Ratten»). Wo der moderne englische Übersetzer Donald Frame schlicht schreibt: «Werewolves, goblins, and chimeras» (bei Stilett: «Werwölfe, Kobolde und andere Schimären»), übersetzt Florio: «Larves, Hobgoblins, Robbin-good-fellowes, and other such Bug-beares and Chimeraes»: ein Stück reinster Sommernachtstraum .
    Shakespeare und Florio kannten einander, Shakespeare gehörte zu den ersten Lesern der englischen Übersetzung der Essais . Vielleicht hatte er Teile davon schon in der Manuskriptfassung gelesen, also noch bevor die Übersetzung in Druck ging. Spuren Montaignes finden sich nachweislich im Hamlet , der vor dem Erscheinen von Florios Übersetzung entstand. Eine sehr viel später entstandene Passage aus dem Sturm weist so große Ähnlichkeiten mit Florios Übersetzung auf, dass kein Zweifel bestehen kann, dass Shakespeare sie kannte. Gonzalo beschreibt seine Vision einer perfekten Gesellschaft im

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