Wie soll ich leben?
die Reise ersparen. Die Anspielung ist deutlich: Heinrich IV. sollte dieselbe Rücksicht zeigen. Die Erstattung der Spesen wies Montaigne zurück:
Ich habe niemals irgendeinen Vorteil von der Großzügigkeit der Könige genommen noch jemals einen solchen begehrt, geschweige denn verdient, und ich habe keinen Lohn für die Dienste erhalten, die ich ihnen geleistet habe und die Eurer Majestät zum Teil bekannt sind. Was ich für Ihre Vorgänger tat, werde ich noch viel bereitwilliger für Euch tun: Ich bin, Sire, so reich, wie ich es nur wünsche. Sollte mein Geldbeutel aber einmal leer und ich an der Seite Eurer Majestät in Paris sein, werde ich so kühn sein und mir erlauben, es Euch zu sagen.
Erstaunlich bestimmt, dieser Ton gegenüber einem König. Doch Montaigne war gealtert und krank (er lag mit Fieber im Bett), und er kannte den König gut genug, um offen reden zu dürfen. In den Essais schrieb er: «Ich betrachte unsre Könige mit einer lediglich von Gesetzestreue und Bürgerpflicht bestimmten Anhänglichkeit, die meine Privatinteressen nicht mehren und nicht mindern […]. Das ist es, was mich stets erhobnen Hauptes einherschreiten lässt, offenen Herzens und offenen Blicks.» Sein Brief an Heinrich IV. zeigt, dass er diese Einstellung auch in der Praxis beherzigte. Montaigne tritt uns in diesen beiden Briefen so vor Augen wie in den Essais: freimütig, unbeeindruckt von der Macht und entschlossen, sich seine Freiheit zu bewahren.
Vielleicht entdeckte er bereits Anzeichen dessen, was zu einem Grundzug der Regierungszeit Heinrichs IV. werden sollte: die Tendenz zum Personenkult. Einen starken Herrscher wie ihn brauchte das Land nach all den schwachen und unentschlossenen Königen zwar dringend, aber ein Freund subtiler Reflexionen war Heinrich IV. nicht. Kurze Reden und rasches, entschlossenes Handeln waren sein Stil. Statt sich regelmäßig zu waschen und zum Essen die Gabel zu benutzen wie Heinrich III., war er schmuddelig und stank angeblich wie verfaultes Fleisch. Doch er besaß Charisma. Montaigne gefiel die Vorstellung eines starken Königs, aber für Selbststilisierung hatte er nichts übrig. In den Essais schrieb er über Heinrich IV. mit verhaltener Zustimmung, nicht mit blinder Unterwürfigkeit. Auch in seinen Briefen wahrte er Distanz. Diesen Kampf gewann er, denn er brach nie auf, um sich dem Gefolge des Königs anzuschließen.
Anfang 1595, erst nach Montaignes Tod, begann Heinrich IV. den Krieg gegen einen äußeren Feind, Spanien, und entzog damit den Bürgerkriegen, die 1598 endeten, Kräfte und Ressourcen. Jetzt begann Frankreich als Nation allmählich zusammenzuwachsen, auch wenn der Einigungsprozess fragil und an die Person des Herrschers gebunden blieb. Viele waren ihm in leidenschaftlicher Treue ergeben, andere hassten ihn nicht weniger leidenschaftlich. Auch er wurde schließlich ermordet: 1610 erstach ihn der fanatische Katholik François Ravaillac.
Einer seiner wichtigsten Beiträge zur französischen Geschichte war das Edikt von Nantes vom 13. April 1598, das beiden KonfessionenGewissensfreiheit und den Protestanten Kultfreiheit gewährte. Aus dem Land, das unter den religiösen Streitigkeiten am meisten zu leiden hatte, wurde der erste westeuropäische Staat, der offiziell zwei christliche Konfessionen anerkannte. In einer Rede vor dem Parlament am 7. Februar 1599 betonte Heinrich, das Edikt sei nicht, wie die vorausgegangenen, dem Wunsch entsprungen, es allen recht zu machen, und dürfe nicht als eine Lizenz betrachtet werden, Unruhen zu schüren. «Ich werde alle Fraktionsbildungen und alle aufrührerischen Predigten im Keim ersticken; und ich werde jeden enthaupten lassen, der dazu aufruft.»
Das Edikt von Nantes, erlassen mit einer Entschlossenheit und beherzten Zuversicht, die Montaigne gefallen hätte, blieb fast hundert Jahre in Kraft. Als es 1685 widerrufen wurde, flohen viele Hugenotten nach England und in andere Länder. Zu diesen Flüchtlingen gehörten auch zahlreiche Leser Montaignes, unter ihnen Pierre Coste, dessen Samisdat-Edition der Essais über den Kanal nach Frankreich zurückgelangte und seine leidgeprüften Landsleute mit einem neuen und revolutionären Montaigne bekannt machte.
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Frage: Wie soll ich leben?
Antwort: Philosophiere nur zufällig!
Fünfzehn Engländer und ein Ire
In dem gesamten Jahrhundert, bevor Coste dem Verfasser der Essais 1724 zu einem neuen Image verhalf, ließen die Engländer in ihrer Bewunderung für Montaigne nicht nach. Sie waren
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