Wie Sommerregen in der Wueste
von ihm, aber hier, das ist Jessie am Tag ihrer Hochzeit.« Amy warf ein paar andere Fotografien um, als sie das Bild hochnahm. »Bud hat Schuhe verkauft und zu Hause gern herumgewerkelt. Er war kein Mann, der die Welt verändern konnte, aber ich habe ihn gemocht. Jessie wahrscheinlich auch, immerhin waren sie fast sieben Jahre zusammen. Das ist ein Rekord.« Sie stellte das Bild zurück. »Der gute alte Bud Peters hält den Rekord.«
Craig umfasste ihre Schultern und drückte sie zärtlich. »Es ist ihr Leben, Rotschopf.«
»Es ist auch mein Leben«, stieß sie heftig hervor. »Verdammt, es war auch mein Leben. Kannst du dir vorstellen, wie das ist, nie genau zu wissen, welchen Nachnamen deine Mutter gerade hat oder welcher ›Onkel‹ dein nächster Vater wird? In welchem Haus oder welcher Wohnung du wohnen wirst? In welche Schule gehen?«
»Nein.« Er dachte an die dauerhafte Ehe seiner Eltern, an die solide Einheit, die seine Familie war. »Nein, das kann ich nicht. Aber du bist jetzt eine erwachsene Frau. Die Heirat deiner Mutter braucht dich nicht mehr zu berühren.«
»Es ist dasselbe Muster, immer wieder. Siehst du das nicht? Ich habe sie beobachtet, wie sie sich immer wieder schneller als ein Teenager ver- und wieder entliebt hat. Und immer, wenn sie heiratet oder sich scheiden lässt, sagt sie dasselbe: Es sei das Beste für uns alle. Doch es war nie das Beste, für mich nicht. Und jetzt kommt sie her, um mir zu beichten, nachdem alles beschlossene Sache ist. Ich habe von diesen Geschichten immer erst gehört, nachdem die Würfel schon gefallen waren.«
Er hielt sie fester. »Wenn sie ein schlechtes Urteilsvermögen hat, Amy, bedeutet das aber nicht, dass sie dich nicht liebt.«
»Oh, sie liebt mich.« Jetzt, wo sie die größte Wut herausgelassen hatte, fühlte sich Amy leer und kraftlos. »Auf ihre Art. Es war nur nie die Art, die ich brauchte. Es ist schon okay.« Sie entzog sich ihm. Die Tränen, die eben noch fließen wollten, waren wieder unter Kontrolle. »Du hast recht. Ich reagiere übertrieben. Ich werde mit ihr – mit den beiden – darüber reden, wenn sie zurückkommen.« Sie fuhr sich übers Gesicht und dann durchs Haar. »Tut mir leid, Craig. Ich habe es an dir ausgelassen.«
»Nein, du hast es nur herausgelassen.«
»Wahrscheinlich bin ich dumm und egoistisch.«
»Nein, nur menschlich.« Er strich ihr über die Wange. Wie sehr mochte sie unter diesen frühen Jahren gelitten haben, und wie viele Narben mochten zurückgeblieben sein? »Komm zu mir.« Er zog sie an sich und hielt sie einfach nur fest, bis er spürte, wie sie sich entspannte. »Ich bin verrückt nach dir.«
Er konnte den Gefühlsansturm, der sich in ihrem Blick widerspiegelte, nicht sehen. »Wirklich?«
»Absolut. Ich habe mir überlegt, wenn hier soweit alles klar ist, solltest du mit nach Florida kommen – für eine gewisse Zeit«, fügte er vorsichtig hinzu. »Du könntest dir das Haus ansehen, das ich baue, und mir wegen des Entwurfs hart zusetzen. Du könntest dir den Ozean ansehen.«
Wenn sie mit ihm fuhr, würde sie dann je wieder in der Lage sein, ihn zu verlassen? Sie wollte nicht daran denken, nicht ans Ende. »Ich denke, das würde mir gefallen.« Seufzend legte sie den Kopf auf seine Schulter. »Ich möchte mir von dir den Ozean zeigen lassen. Und ich habe es noch nicht einmal geschafft, dir die Wüste zu zeigen.«
Als sie die Baustelle erreichten, hatte sich Amys Stimmung wieder merklich gehoben. Ohne Craig – einfach nur sein Vorhandensein – wäre sie tagelang deprimiert und schlecht gelaunt gewesen. Er tat ihr gut. Sie wünschte, sie wüsste, wie sie ihm das verständlich machen konnte, ohne Druck auf ihre Beziehung auszuüben.
Denn bis jetzt hatten sie sich genau an die von Amy aufgestellten Regeln gehalten: keine Versprechungen, keine Gespräche über die Zukunft, kein Vortäuschen ewigen Glücks. Craigs Einladung, ihn in Florida zu besuchen, war in einem so beiläufigen Ton vorgetragen worden, dass Amy sich sicher genug fühlte, sie anzunehmen.
Und jetzt, wie immer während der Arbeit, gingen sie beide ihre eigenen Wege. Später würden sie die Nacht miteinander verbringen.
»Tunney.« Amy nickte dem Vorarbeiter der Elektriker zu. »Wie läuft’s?«
»Ganz gut, Miss Wilson.« Er rieb sich mit dem Handrücken über den Mund. Er war ein korpulenter Mann und schwitzte stark. Mit einem Taschentuch, das er aus der Tasche zog, trocknete er sein Gesicht.
»Meinen Sie, wir schaffen die
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