Wie Tau Auf Meiner Haut
nicht
wusste, was.
Vielleicht war es an der Zeit, die Sachen erneut zu packen und weiter zu ziehen,
sich wieder ein neues Zimmer und eine neue Arbeit zu suchen. Bereits seit zwei
Monaten nannte sie sich jetzt Paulette Bottoms, länger hatte sie die anderen
Namen auch nie behalten. Ihren Instinkten hatte sie es zu verdanken, dass sie
immer noch am Leben war. Es gab also keinen Grund, sie diesmal nicht zu
beachten.
Sie hatte nicht den Fehler begangen, sich viele Dinge anzuschaffen. Ein bisschen
Kleidung, das Auto, die Pistole. Der Kaffeeautomat war ein Schnäppchenkauf
gewesen. Sie brauchte nicht länger als zehn Minuten, um ihre gesamte Habe im
Wagen zu verstauen. Das Zimmer war bis zum kommenden Samstag bezahlt,
also warf sie den Schlüssel in den Briefkasten des Hausmeisters und ging ihrer
Wege.
Es war Freitag. Sie würde arbeiten, am Nachmittag ihr Geld abholen, und damit
wäre Paulette Bottoms gestorben. Sie würde sich einen anderen Namen
aussuchen und eine neue Bleibe finden. Vielleicht würde sie sogar Minneapolis
verlassen. Sie war hierher zurückgekehrt, weil es ihr direkt unter Parrishs Nase
als das sicherste Versteck erschienen war und weil sie sich unbedingt hatte
rächen wollen. Sie hatte ihre Rache allerdings niemals richtig geplant, sondern
hatte statt dessen all ihre Kraft in die Übersetzung der Dokumente gesteckt.
Diese Aufgabe hatte sie nun beendet. Mit Hilfe von Kris hatte sie mehr über die
Stiftung herausgefunden, als sie es sich jemals hätte ausmalen können. Sie
wusste noch nicht so recht, was sie mit diesem Wissen anfangen würde. Aber sie
spürte, dass sie den Ort verlassen sollte. Sie konnte der Versuchung kaum
widerstehen, sich ins Auto zu setzen und so weit wie nur möglich von hier
wegzufahren. Minneapolis verlassen. Die Vorstellung erleichterte sie. Genau das
würde sie tun. Sie würde von Parrish weggehen und von all den Erinnerungen,
die sie regelmäßig in einem unbeobachteten Moment zu übermannen drohten.
Sie wusste noch nicht, wie sie die erhaltenen Informationen verwerten sollte,
aber sie wollte dem Schnee und der Kälte und den kurzen Wintertagen
entfliehen. Sie würde nach Süden fahren und erst dann wieder anhalten, wenn
sie Wärme und Sonnenschein gefunden hatte.
Sie hatte nur noch einen einzigen Arbeitstag hinter sich zu bringen. Sie würde
ein paar Häuser putzen, ihren Lohn abholen, und danach würde sie sofort ihren
Wagen auf die Autobahn lenken.
Paglione trank den letzten Schluck Kaffee aus seiner Thermoskanne. Im Winter
Wache zu schieben war das Schlimmste überhaupt. Man musste Kaffee trinken,
um sich warm zu halten, und danach musste man ständig zur Toilette. Man sollte
also eigentlich zu zweit sein, denn entweder der eine oder aber der andere
musste die Toilette aufsuchen.
Vor McDonald's Wache zu schieben war immerhin nicht ganz so übel. Man konnte
immer etwas zu essen und noch mehr Kaffee bekommen, außerdem gab es eine
Toilette. Er war jetzt allerdings schon den dritten Tag hier, und er hatte Big Mäcs
und dergleichen langsam wirklich satt. Vielleicht würde er sich beim nächsten Mal
ein Hühnersandwich...
Neben ihm parkte ein Auto und riss ihn aus seinen Gedanken. Der Umriss von
Conrads Kopf war sofort zu erkennen. Obwohl sie bereits seit Jahren gut
zusammenarbeiteten, war es Paglione doch jedes Mal ein wenig unheimlich,
Conrad wieder zu sehen, als ob er vergessen hätte, wie kalt und rücksichtslos
der Mann war. Paglione kannte auch noch andere Killer, und er selbst hatte auch
schon einige umgelegt. Aber Conrad war anders. Paglione wusste niemals so
recht, was genau in seinem Kopf vor sich ging. Conrad geriet niemals in Panik,
und er gab niemals auf. Er war wie eine Maschine, wurde niemals müde und war
immer bereit, Details aufzunehmen, die allen anderen entgingen. Von all den
Leuten, die Paglione kannte - und hier bezog er Parrish Sawyer mit ein -, war
Conrad der einzige Mann, vor dem er wirklich Angst hatte.
Conrad ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Er trug einen teuren Wollmantel, der
jedoch seinem gedrungenen Körper keinerlei Eleganz verlieh.
»Gut, dass du da bist«, bemerkte Paglione. »Ich trinke schon den ganzen Tag
Kaffee und muss mal auf die Toilette. Soll ich dir bei der Gelegenheit gleich
etwas mitbringen? «
»Nein. Hat irgend jemand den Münzfernsprecher benutzt? «
»Ein paar Leute, ja. Ich habe mir ihr Aussehen notiert. « Paglione nahm einen
schmalen Notizblock vom
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