Wie Tau Auf Meiner Haut
keuchend nach unten und
versuchte, eine Ohnmacht abzuwehren. Sie musste dringend etwas essen.
Vielleicht war es ihre Bemerkung, dass sie keine Engländerin war, jedenfalls
wurde sie plötzlich gestützt und zu einer Bank geführt. Die stämmige Frau
drückte ihr einen Brotkanten in die zitternde Hand und goss ihr in eine flache
Schale ein wenig Bier ein. Langsam kaute Grace an dem Brotkanten, der von viel
besserer Qualität als bei dem Hayclan war. Sie nippte nur wenige Schlucke von
dem Bier, da sie nach so langer Zeit ohne Essen sich nicht mehr zumuten wollte.
Die anderen fuhren mit ihrer Arbeit fort, die stämmige Frau allerdings musterte
sie. Vielleicht beobachtete sie auch nur, wie wieder Farbe in Graces Gesicht
zurückkehrte. Als sie das Brot gegessen hatte, stellte man ihr noch ein Stück
Brot, etwas Käse und ein paar Scheiben kaltes Schweinefleisch hin. Da sie jetzt
wieder bei Kräften war, aß Grace so gierig, wie es gute Manieren gerade noch
zuließen, und trank von dem Bier.
Die Köchin schnalzte anerkennend mit der Zunge und stellte ihr noch mehr Brot
und Fleisch hin. »Du bist ja dünn wie eine Bohnenstange, Mädchen. Iss noch
etwas. Du wirst heute Abend etwas Kraft brauchen können.«
Grace wollte noch mehr essen, aber sie war wirklich satt. Sie seufzte zufrieden
und lächelte die Frau an. »Vielen Dank. Ich war wirklich sehr hungrig.«
»Keine Ursache. Und nun ab mit dir.« Nach ihrer wohltätigen Handlung
verscheuchte die Frau sie mit ihrem Tuch. Grace stand auf und ging.
Zunächst einmal wollte sie ein sicheres Versteck finden, jedenfalls so lange, bis
sie sich über ihre Pläne im klaren war. Als alle mit irgend etwas beschäftigt
schienen, duckte sie sich in eine von einem Vorhang abgetrennte Nische, setzte
sich auf den Boden und war bereit zu warten.
Sie lehnte ihren Kopf gegen die kalte Steinwand. Auf was hatte sie sich da nur
eingelassen? Hierher zu kommen war ihr sinnvoll erschienen, als sie noch in ihrer
eigenen Zeit gelebt hatte. Aber seit ihrer Ankunft vor drei Tagen war sie ihrem
Ziel nicht einen Deut näher gekommen. Was ihr zunächst als ganz einfach
erschienen war, nämlich den Schatz zu finden und wieder in ihre eigene Zeit
zurückzukehren, hatte nun riesige Ausmaße angenommen. Jetzt, wo sie die
Größe der Burg gesehen hatte, wusste sie, dass sie Tage, wenn nicht Wochen
benötigen würde, um sie gründlich zu durchsuchen. Während dieser Zeit konnte
sie sich unmöglich ständig versteckt halten. Entweder sie würde sich auf Nialls
Hilfe verlassen - kein sehr aussichtsreiches Unterfangen -, oder sie brauchte
irgendeinen Vorwand für ihre Anwesenheit auf der Burg. Und dafür brauchte sie
wiederum Nialls Genehmigung. Sie musste Niall noch einmal sehen. Über diese
Aussicht war sie zwar nicht glücklich, aber sie hatte während des letzten Jahres
schon ganz andere Dinge bewältigen müssen. Was war schon eine Demütigung
gegenüber der Tatsache, dass sie der Ermordung sowohl ihres Mannes als auch
ihres Bruders hatte zusehen müssen und dann selbst wie ein Tier gejagt worden
war?
Sie war unendlich müde. Jetzt, wo sie etwas gegessen hatte, war sie so müde,
dass sie die Augen nicht mehr offen halten konnte. Sie schob sich die schwere
Rupfentasche in ihren Nacken und machte es sich bequem. Innerhalb weniger
Augenblicke war sie eingeschlafen.
Nachdem er die Aufmerksamkeiten von sowohl Jean als auch Fenella, einem
wollüstigen Serviermädchen, abgewehrt hatte, stieg Niall die Treppen auf der
Außenseite des Turms zu seiner Kammer hoch. Er war äußerst schlechter Laune.
Er sehnte sich nach einer Frau, allerdings nicht nach einer, die wie Fenella ihre
weiblichen Reize überbetonte. Noch nicht einmal Jean konnte ihn reizen, obwohl
sie die letzten Monate seine liebste, wenn auch nicht alleinige Bettgenossin
geworden war.
»Verdammt soll sie sein, die Hexe! « Wild fluchend schlug er die Kammertür
hinter sich zu. Er ging auf den Tisch zu, hob die Flasche Wein an, dann knallte er
sie ungeöffnet wieder auf die Tischplatte. Er wollte keinen Wein, er hatte bereits
zum Essen Wein getrunken. Das, wonach ihm wirklich verlangte, hatte er Huwes
brutaler Aufmerksamkeit überlassen.
Ob nun Hexe oder Spionin, er hätte sie mitnehmen sollen. Dann würde er jetzt
wenigstens nicht diesen nagenden Zweifel verspüren, diese heftige Lust, die sich
mit anderen Frauen nicht stillen ließ.
Er spürte sie immer noch in seinen Armen und an seinem Körper.
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