Wie Tau Auf Meiner Haut
zurück: Selbst
wenn es ihr gelang, in die Burg hineinzukommen, so brauchte sie doch Nialls
Zustimmung, zu bleiben.
Sie entschied sich, die Probleme eines nach dem anderen zu lösen: Wie also
sollte sie überhaupt in die Burg gelangen?
Sie ging langsam zu ihrem Pferd zurück, stolperte über einen Stein, blieb mit
ihren Kleidern im Gestrüpp hängen und riss sich wieder los. Die langen Kleider
hatte sie mehr und mehr satt. Um die Wahrheit zu sagen, sie hatte mehr oder
weniger alles satt, aber ihre humorvolle Art lenkte sie von der Peinlichkeit ab, die
ihr mit Niall unterlaufen war.
Als sie das Pferd endlich erreicht hatte, war sie von dem beschwerlichen Weg
durch das Gestrüpp vollkommen verschwitzt. Das wollene Überkleid, das sich in
kalten Nächten angenehm trug, schien sie jetzt zu ersticken. Ungeduldig streifte
sie es ab und schmiss es über den Sattel. Als die Luft durch ihren leichten
Baumwollkittel filterte, seufzte sie erleichtert auf. Sie lockerte die Bänder um
Hals und Handgelenke, zog die Halsöffnung ganz auf und schob die Ärmel bis
zum Ellenbogen hoch. Unter ihrem Tuch war ihr Haar schweißgebadet. Sie riss
sich den Schal ab, band ihren Knoten auf und ließ ihre Finger durch das Haar
gleiten, damit frische Luft an den Haarboden gelangen konnte. Sie hatte in
Schottland fälschlicherweise einen durchwegs kühlen Mai erwartet. Nie und
nimmer würde sie das schwere Wollkleid wieder überziehen, und ihr Samtkleid
wäre genauso warm. Grace blickte an sich hinunter, um den Kittel auf seine
Anständigkeit hin zu überprüfen. Zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, dass er
dieser in keiner Weise entsprach, wenn es ihr nicht gleichgültig wäre, dass man
sowohl ihre Brustknospen als auch den Schatten ihres Schamhaars sehen
konnte. Sie schüttelte den langen Schal aus und band ihn strategisch über
Rücken und Taille. Dann bauschte sie den Kittel etwas auf, so dass sie oben
mehr Bewegungsfreiheit hatte. Zufrieden stopfte sie das dreckige Überkleid in die
Tasche und stieg wieder auf das Pferd. Sie hatte zwar keines der anstehenden
Probleme gelöst, aber immerhin fühlte sie sich jetzt bequemer angezogen.
Als sie wenig später fünf Frauen auf der zerklüfteten Straße auf Creag Dhu
zugehen sah, kam ihr eine Idee. Das Geschäft der Frauen war deutlich zu
erkennen. Ihre Röcke waren kürzer als die der anderen Frauen, und ihre Blusen
ausgeschnitten. Sie trugen keine hochgeschlossenen, langärmeligen Kleider,
sondern hatten solche mit kurzen Ärmeln und weitem Schnitt. Auch trugen sie
keine Tücher auf dem Kopf. Obwohl ihr Haar ungepflegt wirkte, arrangierten sie
mit den Fingern ihre Locken, so dass diese einladend um ihre Brüste spielten. Sie
kniffen sich in die Wangen und bissen sich auf die Lippen. Außerdem kicherten
sie wie närrisch und machten anzügliche Bemerkungen.
Es waren Huren auf dem Weg in die Burg, wo sie sich eine Nacht lang vergnügen
oder auch Geschäfte tätigen wollten, vermutlich beides. Grace sah ihnen jetzt mit
ihrer losen Kleidung und dem offenen Haar auffallend ähnlich. Sie zügelte das
Pferd und ritt auf die Gruppe zu.
»Guten Tag«, sagte sie freundlich, als sie ihnen näher gekommen war. Sie
versuchte, ihre Sprache dem hiesigen Dialekt anzugleichen. Aber sie würde
dennoch Altenglisch, das dem Gälischen nah verwandt war, sprechen müssen,
um sich verständlich zu machen.
Die Huren beobachteten sie misstrauisch und blickten sie abweisend an.
»Mein Mann hat mich verlassen«, sagte Grace geradeheraus. »Ich habe weder
Münzen noch Essen, noch habe ich einen Unterschlupf, wo ich übernachten
kann.«
Ein aufgetakelter Rotschopf, der schon bessere Zeiten gesehen hatte, musterte
sie kritisch.
»So? « erwiderte sie schnippisch und meinte wohl eher: »Na und? «
»Falls ihr in die Burg geht, könnte ich mit euch mitkommen? Eine Nacht Arbeit
würde mir ein paar Münzen einbringen oder zumindest einen vollen Magen.«
»Du hast ein Pferd«, verwies sie der Rotschopf und nickte in Richtung des Tiers.
Ein Pferd war ein teures Tier, es war mehr wert als all ihre Besitztümer
zusammengenommen. Sie würden wohl wenig Mitgefühl mit ihr zeigen, solange
sie noch das Pferd besaß.
Grace kam zu einem schnellen Entschluss. »Wenn ihr mich mitnehmt, dann
könnt ihr es haben«, versprach sie. Die fünf Frauen steckten ihre Köpfe
zusammen und schnatterten hektisch auf gälisch. Schließlich streckte der
Rotschopf Grace die Hand entgegen und
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