Wie Tau Auf Meiner Haut
gehen oder aber den
ganzen Tag in den Gärten und auf den Straßen spielen würden. Sie betete, dass
es ein Wochentag sein möge.
Die Leute begannen, ihre Häuser zu verlassen. Rauch stieg aus den Auspuffen
der Autos in die kalte Morgenluft auf. Grace beobachtete aufmerksam, wie viele
Menschen aus den jeweiligen Häusern kamen.
Schließlich hatte Grace ihre Wahl getroffen. Zuerst verließ der Ehemann das
Haus, zwanzig Minuten später folgte ihm seine Frau.
Grace wartete noch eine Weile ab. Kinder mit Büchern und Rucksäcken kamen
zum Vorschein. Wegen der bevorstehenden Sommerferien alberten sie
ausgelassen herum. Die letzten kühlen Tage hatten ihre Begeisterung nicht
dämpfen können. Schon bald würde die Schule vorbei sein, und der lange
Sommer läge vor ihnen. Grace beneidete sie um diese einfachen Freuden. Der
Schulbus kam, und die Straßen leerten sich. In dem Viertel wurde es wieder
ruhig. Nur noch wenige, deren Arbeitstag erst gegen acht begann, würden jetzt
noch ihre Häuser verlassen.
Dies war der richtige Zeitpunkt, denn die Straßen waren einerseits fast ganz leer,
dennoch war es laut genug, dass niemandem das Geräusch zerbrochenen Glases
auffallen würde.
Grace schlich sich auf die Rückseite des angepeilten Hauses und versteckte sich
hinter der sauber getrimmten Hecke, die das Grundstück von seinem Nachbarn
trennte.
Wie sie gehofft hatte, bestand die obere Hälfte der Hintertür aus Glas. In dem
Haus links daneben war noch jemand zu Hause, aber die Gardinen waren
zugezogen, so dass sie von dort aus niemand bemerken würde. Das Haus auf der
rechten Seite war eine Art Ranch im Stil der fünfziger Jahre. Es war länger, aber
auch flacher als ihr auserwähltes Haus. Wer auch immer dort hinten aus dem
Fenster schaute, würde die Rückseite ihres Hauses nicht sehen können.
Sie hoffte, dass man ihr den Einstieg vielleicht erleichtern würde und suchte nach
einem möglichen Schlüsselversteck. Blumentöpfe waren jedoch nicht vorhanden,
und unter der Türmatte fand sie auch nichts. Die Scheibe zu zerschmettern war
dann doch schwieriger als erwartet. Im Fernsehen oder im Kino sah es immer so
einfach aus, das Glas zersprang sofort, wenn es von einer Pistole oder einem
Ellenbogen auch nur berührt wurde. Im wirklichen Leben aber war es nicht so
einfach. Nachdem sie sich ihren Ellenbogen blau geschlagen hatte, sah sie sich
nach einem härteren Gegenstand um. Der Garten aber war sehr ordentlich
gehalten, kein Stein stand dort zu ihrer Verfügung. Nur die Blumenbeete waren
sorgfältig mit Klinkersteinen eingefasst worden. Einen davon rüttelte sie sich aus
der Erde.
Grace wickelte ihren roten Pullover um den Stein, um damit das Geräusch
brechenden Glases zu dämpfen. Sie haute den Stein dann so lange gegen die
Scheibe, bis sie endlich zersprang. Nachdem sie den Stein wieder zurückgelegt
hatte, atmete sie tief durch und öffnete die Tür. Sie musste ihren ganzen Mut
zusammennehmen, denn das fremde, stille Haus zu betreten fiel ihr nicht leicht.
Den Fuß über die Schwelle zu setzen bedeutete, dass sie sich in diesem
Augenblick des Einbruchs schuldig machte. Ausgerechnet sie, die die Vorschriften
immer so gewissenhaft befolgte, dass sie sogar die Geschwindigkeits-
begrenzungen genau einhielt. Sie wollte auch nichts weiter stehlen als ein
bisschen heißes Wasser und etwas Elektrizität. Der Besuch in dem
Lebensmittelladen hatte ihr klargemacht, dass sie unbedingt in der Masse
Mensch untergehen musste und außerdem noch ein paar Verkleidungen parat
haben musste. Sie durfte nicht länger wie auf Trebe aussehen, sie musste mit
ihrer Umwelt verschmelzen. Entweder musste sie mit ihr verschmelzen oder aber
sterben.
Ihr Herz klopfte hörbar, als sie sich aus ihrer dreckigen Kleidung pellte und diese
in die Waschmaschine einer ihr unbekannten Frau stopfte. Was würde passieren,
wenn sie sich verkalkuliert hatte und die Frau oder der Mann gar nicht den
ganzen Tag über wegbleiben würden, statt dessen einer der beiden lediglich
etwas besorgen war und schon bald wieder zurückkehrte? Bestenfalls würde nur
die Polizei gerufen werden, wenn sie eine fremde Frau nackt in der Dusche ihres
Hauses vorfanden.
Aber sie hatte sich nicht getraut, ein Hotelzimmer zu mieten, da man ihr bei
ihrem derzeitigen Aussehen und Geruch sicherlich noch nicht einmal dann eines
vermietet hätte, wenn sie es sofort bar bezahlt hätte. Vielleicht würden ja auch
Parrishs Leute die
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