Wie Tau im Wuestensand
freundlicher, nicht zuviel Schmollmund. Breites Lachen,
Süße. Zeig mir deine Beißerchen.«
Holly lächelte in die Kamera, aber
ihre Augen waren in die Vergangenheit gerichtet.
An ihrem sechzehnten Geburtstag
hatte sie auf Beth McKenzie, die neunjährige kleine Schwester von Linc, aufgepaßt.
Die McKenzies waren spät und ziemlich betrunken nach Hause gekommen, als sie
anfingen zu streiten. Holly hatte in ihrem ganzen Leben noch niemals
derartige Schimpfwörter gehört.
Als Linc dann überraschend in der
Tür stand, suchte sie bei ihm Zuflucht. Er hatte sie nach Hause gefahren und so
lange auf sie eingeredet, bis ihr Zittern nachließ. Als er erfuhr, daß sie um
Mitternacht sechzehn Jahre alt geworden war, neckte er sie liebevoll, sie sei
ein süßer Teen, den wohl noch niemand geküßt habe. Was erst als Geste der
Beruhigung gemeint war, hatte sich dann zum Kuß eines Mannes entwickelt, der
die Frau seiner Träume in den Armen hielt. Holly reagierte mit einer
unschuldigen Hingabe, die Linc beinahe um den Verstand bringen wollte.
Er hatte ihr Gesicht in beide Hände
genommen und sie angesehen, wobei er sich den Zauber des Augenblicks, das
Mondlicht auf ihren verwunderten Zügen einprägte. Ihr Lächeln glich dem einer
Eva, die soeben ihre Weiblichkeit entdeckte.
»Das ist genau das Lächeln, das ich
sehen will!« bemerkte Jerry triumphierend. »Lieber Himmel, wenn du doch nur
halb so heiß wärst, wie du aussiehst. Linke Schulter. Und jetzt ein bißchen
Feuer. Genau. Ja! Strahle für mich, Süße!«
Holly hörte kaum das Geplapper des
Fotografen und die Geräusche der endlosen Blitzlichter, die rings um sie aufflackerten.
Sie war wieder sechzehn Jahre alt und lächelte zu dem Mann auf, den sie immer
geliebt hatte. Linc hatte sie am nächsten Abend ausführen wollen, aber sie
sollte bei einem Angestellten ihres Vaters babysitten. Dort war sie dann auch
gewesen, als Linc zu ihr kam und ihr von dem Frontalzusammenstoß auf der
kurvenreichen Landstraße berichtete.
Er hatte Holly ins Krankenhaus
gefahren, wo man unermüdlich um das Leben ihrer Eltern kämpfte. Er war in
jener langen Nacht an ihrer Seite gewesen, als erst ihre Mutter und dann ihr
Vater starb.
Linc hatte die weinende und
schreiende Holly im Arm gehalten, gewiegt, als die Welt vor ihren Augen
auseinanderbrach. Er hielt sie so lange umfangen, bis sie erschöpft an seiner
Brust eingeschlafen war.
Als die junge Waise aufwachte, lag
sie in einem Krankenhausbett, und die Schwester ihrer Mutter, Sandra, stand
neben ihr. Holly erkannte sie, weil sie sie schon einmal auf ein paar
verblaßten Fotos in einem alten mit Familienbildern vollgestopften Album
gesehen hatte.
Sandra hatte das Mädchen ohne
Aufschub nach Manhattan mitgenommen, wo Sandra eine Agentur für Spitzenmodels
leitete. Mit neunzehn Jahren prangte Hollys Bild bereits auf allen
Titelblättern der großen amerikanischen und europäischen Zeitschriften. Mit
zwanzig hatte sie einen Exklusivvertrag eines führenden europäischen
Modeschöpfers in der Tasche, der mit ihrem Gesicht für sämtliche seiner
Produkte, von Parfüm über Kleidung, von Dessous bis hin zu Kosmetika warb.
Beruflich benutzte Holly lediglich
ihren mittleren Namen, Shannon. Auf diese Weise hielt sie sich von der fremden,
aufreizenden Frau fern, die sie von dem ganzen Blätterwald anblickte und die
verführerisch über Negligés und Sex gurrte, während sie über Millionen von
Mattscheiben flimmerte.
Shannon war sinnlich, wunderschön
und ganz und gar außergewöhnlich.
Das Gegenteil von Holly.
Jahrelang hatte sie sich selbst
immer als ein etwas ungeschicktes Entlein gesehen. Deshalb war ihr überhaupt
nicht wohl bei dem Gedanken, was Make-up und künstliche Beleuchtung aus ihrem
Gesicht und was die Zauberkünste der Modisten mit ihrem schlanken Körper
machten.
Am meisten jedoch störten Holly die
Männer, die ihre Schönheit in teuren Autos oder Penthäusern genossen. Ihr war
durchaus bewußt, daß diese Männer sich eigentlich nur in einen Vierfarbdruck
vergafft hatten.
Entsprechend reagierte sie dann:
kühl und abweisend.
Männer bedachten sie mit den
unterschiedlichsten Adjektiven, wovon das Wort »frigide« noch zu den
höflicheren gehörte.
Mit zweiundzwanzig war Holly immer
noch Jungfrau, von der die Männerwelt glaubte, sie sei sehr sexy und außerordentlich
erfahren.
»Heb die Arme hoch«, kommandierte
Jerry.
Traumwandlerisch folgte sie seinen
Anweisungen und erinnerte sich daran, wie sie ihre Arme
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